Aufgrund der Corona-Pandemie kommt der neue Film des deutschen Regisseurs Christian Petzold verspätet in die Kinos. Bereits im Februar bei der Berlinale 2020 vorgestellt, hat Undine es erst im Juli in die Kinos geschafft – Eine Gastkritik von Julia Ritter
Undine erzählt in Zeiten wie diesen eine fast unerhörte Geschichte. Nicht nur, weil es viel Nähe und Intimität zu sehen gibt und Bilder von innigen Umarmungen während der Corona-Pandemie fast schon utopisch wirken. Sondern auch, weil es um Liebe mit maximaler Hingabe geht, was fast noch unerhörter ist. Denn in Zeiten wie diesen, wo zwischenmenschliche Beziehungen meistens nur auf oberflächliches “Tinder-Wischi-Waschi” reduziert werden, wie der Regisseur Christian Petzold (Transit) es in einem Interview gegenüber “Eine Stunde Film” von Deutschlandfunk Nova ausdrückt, verlangt die Beziehung mit der Wassernixe Undine (Paula Beer) das Unmögliche: Einen Liebhaber, der sich von ihr trennt, muss sie mit dessen Tod bestrafen. Daraufhin ist Undine dazu verdammt, ihr Leben als Frau im modernen Berlin aufzugeben und ins Wasser zurückkehren. Denn sie ist mit einem uralten Fluch belegt.
Auch der Mythos von Undine ist uralt. 1811 schrieb Friedrich de la Motte Fouqué das Märchen auf, unzählige Varianten entstanden seither und wurden immer wieder modernisiert. Darunter fällt auch Ingeborg Bachmanns Erzählung Undine geht. Filmisch aufgearbeitet wurde der Stoff auch 2009 in Ondine – Das Mädchen aus dem Meer von Neil Jordan, der mit Christian Petzolds Version aber nicht mithalten kann. Die Grundstruktur des Undine-Mythos ist trotzdem ähnlich: Eine Frau, die in Wirklichkeit keine ist, kommt aus dem Wasser, verliebt sich in einen Menschen und muss am Ende wieder ins Wasser zurückkehren. Dass die Geschicht oft tragisch endet, ist also scheinbar vorprogrammiert. Aber Undine in Petzolds Film will ihrem Schicksal entgehen.
Am Beginn des Films wird Undine trotz des verhängnisvollen Fluchs von ihrem Freund verlassen. Kurz darauf begegnet sie dem Industrietaucher Christoph (Franz Rogowski), den sie vor einem zerberstenden Aquarium rettet. Völlig durchnässt und von Wasserpflanzen und Glasscherben bedeckt, tauschen die beiden erste Blicke. Die Beziehung zwischen Undine und Christoph inszeniert Petzold mit viel Gefühl, Empathie und aller Zeit der Welt. Dass die Handlung dafür ein bisschen untergeht, wird nebensächlich. Lange, innige Momente reihen sich im Film fast traumhaft aneinander. Die Chemie zwischen den beiden Schauspielern Paula Beer und Franz Rogowski, die schon in Transit (2018) mit Petzold gearbeitet haben, schwappt bis zum Publikum herüber. Sinnbildlich sind dafür auch die Unterwasserszenen, bei denen Christoph und Undine in einer zeitlosen Sphäre zwischen Mythos und Realität schweben, nur begleitet von Bachs Cembalokonzert in D-Moll.
Fazit
Im letzten Teil des Films verdichten sich dann doch wieder die Ereignisse und Undine wird an ihren Fluch erinnert. Holt sie ihr Schicksal ein? Wehrt sie sich gegen den Fluch? Oder opfert sie sich selbst? Petzold stellt große Fragen rund um Liebe und Tod, ohne dabei übermäßig kitschig zu werden. Dabei hilft ihm auch die unwirtliche Kulisse des heutigen Berlins, das mit seinen Brücken und Betonbauten nicht viel Romantik zulässt. Ein gelungener Kontrast für einen intimen, gefühlvollen Liebesfilm.
Lust auf mehr?
Eine Diskussion zu Undine gibt es auch in unserem nächsten Podcast am 30. Juli. Hört auch in Die Buch hinein, den Podcast den unsere Gastautorin Julia gemeinsam mit Sophia herausgibt.
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