Rocketman

Musical-Pomp und Paillettenrausch statt echter Emotion?

Die Szene, in der Taron Egerton alias Elton John im flammenden Teufelskostüm einen Gang entlang stürmt, um sich daraufhin bei den Anonymen Alkoholikern das Herz auszuschütten, ist schon jetzt zum Kult geworden. Das Glitzer tropft, die Federn fliegen – ein gefallener Rockstar-Engel am Boden der Tatsachen. Doch so bombastisch die Szene auch sein mag, wo bleibt in diesem Moment das echte Gefühl? Gibt die Szene seine emotionale Tiefe für einen billigen Kostüm-Gag her?

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Rocketman glitzert, Rocketman schäumt, Rocketman rockt. Keine Frage. Rocketman erzählt auch auf überzeugende Weise die Lebensgeschichte eines Ausnahmemusikers. Von Kindertagen bis Midlife-Crisis, von Exzessen bis Entzug. Taron Egerton spielt, tanzt und singt sich souverän durch die Lebensphasen Elton Johns und besticht durch physische Ähnlichkeit mit dem Rockstar. Aber der Musicalcharakter und die theatrale Aufmachung des Films stören manchmal den emotionalen Bogen der Story. Das Teufelskostüm regt zum Lachen an und während man Taron Egertons orangefarbene Schenkel bestaunt, geht die eigentliche Tragik der Situation völlig im Paillettennebel unter.

Rocketman © Constantin Film
Taron Egerton als Elton John in Rocketman © Constantin Film

Dieser Eindruck wiederholt sich während des Films öfter. Auch als Elton und sein langjähriger Freund Bernie endlich eine Aussprache über die vielen Verfehlungen der Vergangenheit haben, beginnt Bernie plötzlich „Goodbye Yellow Brick Road“ zu singen und die aufgestaute Emotion verflüchtigt sich in einem theatralischen Musicalmoment. Bernie springt auf, lässt Elton sitzen, die Aussprache ist gescheitert. Hartgesottene Musicalfans, wie ich selbst einmal einer war, mögen mir widersprechen, aber leider ist auch der Versuch gescheitert, die Beziehung von Elton und Bernie in diesem Moment mit Tiefgang zu inszenieren. Es wird weitergesungen und -gesprungen – aber wo bleibt die echte Emotion?

Die ist sicherlich an anderen Stellen zu spüren – als Elton zum Beispiel als Kind seine Liebe zur Musik entdeckt und im dunklen Zimmer ein imaginäres Orchester dirigiert. Die Taschenlampe flackert als Taktstock über die Gesichter der Musiker*innen und der junge Elton sprüht nur so von kindlicher Energie. Oder als der von Drogen gezeichnete, ältere Mann am Boden eines Swimmingpools seinem jüngeren Ich begegnet und sich fragt, was aus dem kleinen Jungen geworden ist. Letztlich ist auch die Message des Films eine überaus emotionale: Wir müssen lernen, uns selbst zu lieben und unseren inneren Dämonen zu vergeben.

Die emotionale Sprengkraft des Films geht im Feuerwerk und Showbiz-Taumel nicht unter, sie tritt nur an manchen Stellen für einen guten Gag in den Hintergrund – möglicherweise mit Absicht. Elton John soll mit diesem Film sein Leben wie einen surrealen Rausch und einen fantastischen Triumph feiern dürfen. Schließlich hat er die Extreme seiner Karriere und seines Privatlebens überstanden und ist heute noch so präsent, so glitzernd, so fabelhaft wie eh und je.

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Julia Ritter Verfasst von:

Julia arbeitet in der Medienbranche, schreibt, spricht, schneidet und führt Interviews. Gemeinsam mit Sophia ist sie im Podcast "Die Buch - der feministische Buchpodcast" zu hören. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschafterin und Anglistik. Ihr Herz schlägt besonders für schottische Literatur und Life Writing.

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