Florida Project

So sieht es aus, wenn der amerikanische Traum versagt.

Sie rennen und rennen. Entlang an pastellfarbenen Motels, an kitschigen Geschenkläden, heruntergekommenen Häusern und einem Supermarkt, der von einer riesigen Orange geziert wird. Wenn man eine Metapher für den amerikanischen Traum bräuchte, dann müsste man nur einen Shot aus Florida Project hernehmen. “Sie” sind übrigens drei Kinder: Moonee (Brooklynn Prince), Jancey (Valeria Cotto) und Scooty (Christopher Rivera).

Die drei leben in Motels, die vor allem von armen Menschen bevölkert werden. Wir befinden uns in Orlando, Florida, abseits von Disney World aber doch nah genug, um noch viel von dem Kitsch zu spüren. Moonees Mutter Halley (Bria Vinaite) hat vor kurzem ihren Job verloren und versucht nun irgendwie durch den Tag zu kommen. Doch davon merkt die Kleine nicht sehr viel, denn in ihrem Leben geht es nur um Abenteuer und Blödsinn machen. Dass es erwachsene Menschen gibt, die schützend die Hand über sie halten, bemerkt sie ebenso wenig.

Ein Leben am Rande der Gesellschaft

Moonee und Mama Halley in Florida Project / (c) Thimfilm
Mutter und Tochter vereint: Bria Vinaite als Halley und Brooklynn Prince als Moonee in “The Florida Project” – © Thimfilm

Bobby (Willem Dafoe) ist der Manager des Motels und immer darauf bedacht, alles in Ordnung zu halten. Obwohl er den Kindern gegenüber auch mal ruppig sein kann, sieht er sie als seine Schäfchen, die es zu beschützen gilt. Wie man schon sieht, besteht The Florida Project nicht aus einer Twist-reichen Story. Nein, Sean Baker hält die Kamera meisterhaft auf das Leben der Motelbewohner, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Damit bleibt er seinem Stil treu, denn in seinem ersten Film, Tangerine, hat er es genauso gehalten.

So wie Bobby sich den aus der Gesellschaft Ausgestoßenen immer respektvoll gegenüber verhält, so ist auch der ganze Film respektvoll gegenüber dieser Thematik. Doch wo keine Story ist, ist umso mehr ein Spiel mit den Perspektiven und Randphänomenen. Man betrachtet den Alltag fast die ganze Zeit aus dem Blickwinkel der Kinder. Und wenn es nach ihnen geht, dann haben sie eigentlich ein ganz schönes Leben. Sie haben unendlich viele Freiheiten, laufen den ganzen Tag durch die Gegend, ohne von Erwachsenen “eingeschränkt” zu werden.

Wenn sich Moonee und Jancey von einer wohltätigen Organisation gerettete Lebensmittel holen, dann ist das ein großer Spaß, denn das bedeutet, dass sie ein Picknick auf Moonees Lieblingsbaum machen können. Als Halley sich an ihrer besten Freundin, die in einem Diner arbeitet, rächen möchte und alles von der Speisekarte bestellt, dann erlebt Moonee das Festmahl ihres Lebens.

Dass es Mama Halley nicht leicht hat, merkt Moonee fast nie

Moonee und Mama Halley in Florida Project / (c) Thimfilm
Lieber im Kinder-Modus bleiben: Brooklynn Prince als Moonee und Bria Vanaite als ihre Mutter Halley in “The Florida Project” – © Thimfilm

Die Zusehenden werden von Sean Baker in diesen Mikrokosmos hineingezogen. Dabei ist der Film wie ein Blick durch eine Lupe: Man braucht ein bisschen Zeit, um das große Ganze zu sehen, doch je weiter der Film fortschreitet, desto mehr versteht man die Zusammenhänge. Und das “Böse” dringt langsam in die Traumwelt der Kinder ein. Armut, Not und fragwürdige Entscheidungen bedrohen die Existenz der Protagonisten. Und das ist so schockierend, dass man am liebsten im Kinder-Modus bleiben würde und gar nicht mitbekommen will, was rundherum vor sich geht.

Nach dem Film fühlt man sich wie ein U-Boot, das nur langsam in seine eigene Realität auftauchen kann. So nah ist man Moonee, Halley und Co. The Florida Project hat Qualitäten eines Dokumentarfilmes, obwohl es ein durch und durch fiktionales Werk ist. Dieses Gefühl wird auch durch die LaiendarstellerInnen erweckt, die alle ihr Bestes geben und wirklich großartig sind. Allen voran Bria Vinaite (Halley), die Sean Baker auf Instagram entdeckte. Die junge Frau fügt dem Film so viel Echtheit zu, dass man eben das Gefühl hat, eine künstlerisch sehr anspruchsvolle Doku zu schauen.

Fazit (Anne)

Film: Florida Project

Rating:

Sehr Gut (4 von 5)

Florida Project ist wie ein künstlerisch anspruchsvoller Dokumentarfilm, obwohl er durch und durch fiktional ist. Großartige Leistung von Sean Baker und allen DarstellerInnen!

Anne-Marie Darok Verfasst von:

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