Eine gute Zeit muss keine seichte sein.
Wie viel Tiefgründigkeit verträgt eine gute Zeit? Ziemlich viel, meinen die Gebrüder Safdie, die in ihrem neuen Film Robert Pattinson auf eine aberwitzige Reise durch Shitholes von New York City schicken. Denn hinter jedem absurden Mikrokosmos, den der Film aufdeckt, steckt tiefgründige Traurigkeit, kombiniert mit einer großen Portion sozialer Anklage.
Eigentlich könnte es auch für Connie (Robert Pattinson) die titelgebende Good Time geben, würde ihm da nicht sein geistig etwas zurückgebliebener Bruder Nick (Ben Safdie) einen Strich durch die Rechnung machen. Der bekommt nach einem vermeintlich gelungenen Bankraub die Panik, die Flucht geht nicht auf. Nick landet im Gefängnis und Connie versucht alles, um das Geld für die Kaution aufzutreiben.
Dass Connies irrwitzige Reise ausgerechnet durch die dreckigsten Orte New Yorks führt, ist freilich kein Zufall. Es sind die vergessenen Gestalten der Großstadt, häufig schwarzer Hautfarbe, deren Empathie und unmittelbare Hilfsbereitschaft für zwischenzeitliche Hoffnungsschimmer sorgen. Auch Connie selbst, der sich trotz konträren Selbstbildes als größter Loser des ganzen Filmes entpuppt, ist von echter Liebe angetrieben. Wenngleich es auch am Mangel an Alternativen liegen mag, ist der behinderte Bruder sein unumstößlicher Lebensmensch.
Charmanter Wahnsinniger
Manch eine Notlage lässt den Raum für Empathie dann aber doch recht klein werden. Eine Episode rund um einen Nachtwächter (Barkhad Abdi) macht deutlich, dass die eigene Existenz am Ende aber eben doch die wertvollste ist. Und wenn diese Regel gekippt wird, dann nur zugunsten eines Lebensmenschens, und davon gibt’s bekanntlich nicht viele. Zwei tiefgehende Therapiesitzungen von Nick klammern den Film und geben ihm so weitere Tiefe. Anstatt den behinderten Bruder als reine Prämisse zu nehmen, formen die Safdies auch aus ihm eine vielschichtige Figur. Besonders positiv ist, dass sie dabei die Grenzen seiner geistlichen Leistungsfähigkeit nie überschreiten müssen. Funfact: Ein geistig behinderter Mensch kann nämlich auch Charakterzüge haben.
Dazwischen aber ist es die große Robert Pattinson-Show. Die blonden Haare, die er sich Mitte des Filmes einbrockt, mögen die psychische Irrfahrt noch weiter unterstreichen, rein für die charakterliche Verwandlung wären sie aber kaum nötig gewesen. Spürbar von brüderlicher Liebe getrieben, ist seine Figur ein Wahnsinniger, dem man alles zutraut, ohne seinem Charme gänzlich widerstehen zu können. Unterstützt von lebendigen Handkamera-Einstellungen, bringt Pattison mit seiner Performance unheimlich viel Energie in den Film.
So wird Good Time, allem Tiefgang zum Trotz, seinem Titel durchaus gerecht. Kleinere und größere Handlungsstränge verweben sich zu einem Wirrwarr, das nur so vor Kreativität strotzt. Es entsteht eine Sammlung an Minigeschichten der Kategorie “Du wirst nicht glauben, was gestern passiert ist”.
Fazit (Michael)
Film: Good Time
Rating:
Sehr Gut (4 von 5)
Good Time ist ein kreativer Blick in die düsteren Ecken New Yorks, die von einer riesigen Portion an Energie und einer tollen Performance von Robert Pattinson lebt. Echte Charaktere und sozialkritische Tiefe tun ihr übriges, um für ein Must see der Kinosaison zu sorgen.
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