Jessas, Leute, lustig wird’s.
Die Viennale steht vor der Tür und nach mittlerweile einigen Jahren der Berichterstattung – in wechselnder Intensität – fällt mir für die fast schon traditionelle Programmvorschau einfach keine originelle Einleitung mehr ein. Anstatt langer Worte will ich diese ersten Zeilen entsprechend nur für die zwei wichtigsten Botschaften nutzen:
- Hans Hurch war super.
- Die Viennale wird wieder super, geht’s alle hin!
Wie jedes Jahr weise ich an dieser Stelle darauf hin, dass meine Programmtips mit äußerster Vorsicht genossen werden müssen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen kenne auch ich vom Viennale-Programm nicht viel mehr als die Inhaltsangabe, plus in manchen Fällen den/die RegisseurIn oder eine(n) SchauspielerIn. Und hin und wieder erkenne ich einen Film wieder, der als Oscarkandidat gehandelt wird. Mit diesen spärlichen Informationen im Gepäck versuche ich eine differenzierte Empfehlungsliste zusammen zu stellen, unterteilt in sehr individuelle Kategorien. Also, here we go:
Einmal a guate Zeit, bitte!
Auf der Viennale gibt’s Filme, die du danach nie wieder sehen kannst! Überzeugt dich jetzt nicht so? Du willst trotzdem lieber auf Nummer sicher gehen? Kein Problem, dann bist du unter anderem mit Good Time sehr gut beraten. Der furiose Film der Gebrüder Safdie begleitet Robert Pattinson auf einer ebenso kuriosen wie berührenden Flucht vor der Polizei.
Der französische Cannes-Gewinner 120 battements par minute dürfte trotz dezenter Überlänge ähnlich zugänglich sein. Vor dem Hintergrund einer Anti-Aids-Bewegung schildert der Film die Liebesgeschichte zweier junger Männer. Ebenfalls ein verhältnismäßig breites Publikum dürfte der belgisch-französische Aufreger Grave finden. Darin beginnt die vermeintlich vegetarische Studentin Justine, plötzlich Menschen zu essen.
Alle drei Filme wird man sich früher oder später auch im regulären Kinobetrieb, auf DVD/BluRay oder via Streaming ansehen können. Für mich persönlich ist das kein Gegenargument, aber es sollte erwähnt werden. Dasselbe gilt ohne Abstriche auch für die Oscar-Kategorie.
Zugänglich, aber schon etwas alternativer
Manch einer will ja nach der Viennale auch was zum Angeben haben. Wer die “Da hab ich einen richtig guten Film gesehen, von dem du noch nie was gehört hast”-Karte spielen will, ohne sich der totalen Absurdität hinzugeben, könnte es mit Hong Sangsoo versuchen. Der südkoreanische Regisseur erzählt recht zugängliche kleine Geschichten, auf der diesjährigen Viennale derer gleich drei. Telefonische Bestellung ist bei den Titeln Bamui haebyun-eoseo honja, Geu-hu und Keul-le-eo-ui ka-me-la freilich nicht anzuraten.
Sowieso kann man sich auf das asiatische Kino verlassen, wenn man etwas abstrakteres Unterhaltungsfilme sucht. Der japanische Sanpo suru shinryakusha lässt etwa Aliens auf der Erde landen, während Chaak Daan Juen Ga ein waschechter Actionfilm aus Hongkong ist. Verlass ist auch auf den Amerikaner Matthew Porterfield, der mit Sollers Point erneut jenen aufspürt, die im großen Amerika unterzugehen drohen. Diesmal ist es ein Dealer, der mit Fußfessel im Vaterhaus lebt und im berüchtigten Baltimore versucht, seinen Platz in der Gesellschaft wiederzufinden.
Einen Pflichttermin stellen, spätestens seit Leviathan, die Filme des russischen Regisseurs Andrey Zvyagintsev dar. In Nelyubov nutzt er die Geschichte eines ungewollten Scheidungskindes, um die Schwächen des russischen Systems aufzuzeigen. Oder warum eigentlich nicht eine Doku? The Force begleitet zwei Jahre lang das Oakland Police Department beim Versuch einer Reform, vor dem Hintergrund der Black Lives matter-Bewegung.
Wurscht ob gut, Hauptsache Oscar
Den Oscar-Gewinner für den Besten Film wird man nach dem Drama letztes Jahr (La La Land war der Abschlussfilm der V’16) wohl auch heuer wieder nicht im Programm haben. Guillermo Del Toros Venedig-Gewinner The Shape of Water ist dennoch ein Schwergewicht im Awards-Rennen. The Florida Project ist schon aufgrund der Vorgeschichte von Regisseur Sean Baker (Tangerine) ein Pflichttermin, Willem Dafoe gilt zudem als Kandidat für den Nebendarsteller-Oscar. Ein Anwärter für viele Nominierungen ist zudem das exakt betitelte Drama Three Billboards Outside Ebbing, Missouri, Frances McDormand werden als Hauptdarstellerin sogar Gewinnchancen ausgerechnet. Höchstens gefährliche Außenseiter sind die Regie-Schwergewichte Woody Allen – mit Wonder Wheel – und Richard Linklater, mit Last Flag Flying.
Bist du denn des Wahnsinns? Ja? Na dann…
Wenn die Viennale eines zeigt, dann, dass es viele verschiedene Arten von Film gibt. Und manch einer will ja vielleicht gar nicht unterhalten werden, sondern zum Beispiel anderen Menschen beim Lesen zusehen. Genau das dürfen Besucher des Filmes Readers machen. Die “Dokumentation” von James Benning zeigt, ohne Dialog (Überraschung!), jeweils 27 Minuten lang drei Frauen und einen Mann beim Lesen eines Buches.
Der Viennale-Pocketguide ist ja nicht nur eine reine Übersicht, er ist ein literarisches Erlebnis. Und ja, das meine ich ganz ohne Ironie. Und nein, ich verstehe meistens nicht, was mir das sagen soll, aber ich weiß nach dem Lesen fast immer ob ich einen Film sehen möchte. Ein Beispiel: La vendedora de fósforos, das “ein produktiv irritierendes Beispiel für das neue argentinische Kino” sein soll. Es “verknüpft in assoziativer Poesie Robert Bresson, Hans Christian Andersen, Ennio Morricone und sogar Gudrun Ensslin”. Huiiiiiii……
Ein Garant für äußerst abstraktes Kino ist der österreichische Filmemacher Johann Lurf. Nach Angaben des Viennale-Programms ist * (<– das ist schon der ganze Titel) ein Abenteuerfilm, beinhaltet er doch “Filmausschnitte, Sprachfetzen, Sternenballett, choreografiert von einer Göttin, die niemand kennt”. Hä? Ja, genau!
Improvisiertes Schlusswort
Trotz all dieser, mit gefährlichen Halbwissen zusammengestellten, Tipps, sei festgehalten, dass es keine Garantie auf Unterhaltung gibt. Wohl kaum jemanden würden alle 300 Filme der Viennale gefallen, da kann man schon mal daneben greifen. Ein Fehlschlag sollte euch aber nicht die Freude verderben, die nächste zufällig entdeckte Perle kann ganz nahe sein. Und wenn man dann schon wieder im falschen Film landet, ist der Ausgang ja nicht weit. In diesem Sinne: Auf die Tickets, fertig, los!
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