mother!

Darren Aronofsky lebt sich in seinem neuesten Film so aus, als gäbe es kein Morgen mehr. In mother! steckt viel drinnen, ihr werdet aber nach dem Kino darüber streiten.

Eine Frau steht in Flammen. Sie schreit aber nicht vor Schmerzen, sie versucht auch nicht aus der Situation herauszukommen. Sie schaut einfach ganz ruhig gerade aus, während die Flammen ihr die Haut vom Gesicht fressen.

mother! Flip the Truck der Österreichische Filmpodcast Jennifer Lawrence
© Paramount Pictures Germany GmbH

Darren Aronofsky lässt sich in seinem neuesten Film mother! nicht lumpen. Es ist fast so, als hätte er die Angst gehabt keinen Film mehr zu machen und so hat er alles reingeworfen, was ihm einfiel. mother! ist das Ergebnis eines fünftägigen Schreibprozesses, den Aronofsky wie einen ununterbrochenen Traum beschreibt und genauso schaut es auch aus. Alles fängt an mit einem Pärchen, er (Javier Bardem) Dichter mit Schreibblockade, sie (Jennifer Lawrence) die halb so alte Frau, die sein niedergebranntes Haus wieder herrichtet, während er vor dem leeren Block sitzt. Bis auf einmal ungebetener Besuch kommt und alles durcheinander bringt.

Mit Gott verheiratet sein ist scheiße

Jennifer Lawrence mimt eine Frau, die sich und ihrem Mann ein Paradies bauen will. Das Haus (kreisförmig angelegt, quasi ein Planet umringt vom Nichts) steht mitten im Nirgendwo. Sie hat zu diesem Haus ein besonderes Verhältnis, sie spürt seinen Herzschlag und manchmal taucht am Boden eine blutende Vagina auf, die sich durch den Boden ätzt.

mother! ist kein Horrorfilm, sondern am ehesten noch ein Psychothriller in einer surrealistischen Welt. Nach einer Woche weiß ich immer noch nicht genau, was ich von mother! halten soll. Klar, die schauspielerischen Leistungen sind super, die Kamera ein Wahnsinn und am Ende ertappt man sich dabei, wie man über alles nachdenkt. Auf der anderen Seite ist der Film prätentiös, Aronofsky in Interviews nicht sonderlich sympathisch (er meint, Leute die ihn nicht mögen, haben ihn nicht verstanden) und das Finale wirkt zu sehr wie geplante Eskalation, als dass der Schlag so richtig sitzt.

mother! Flip the Truck der Österreichische Filmpodcast Jennifer Lawrence
© Paramount Pictures Germany GmbH

Aronofsky wirft mit Metaphern, Allegorien und sonst so ziemlich allem um sich, wie es ihm einfällt. Manches zieht sich durch, das meiste bleibt irgendwo am Weg liegen. Wir haben auch keine Zeit mehr es zu holen, denn in der zweiten Hälfte von mother! geht es einfach nur mehr drunter und drüber. Es wirkt wie eine große christliche Therapiesitzung (Noah hat wohl seine Spuren hinterlassen), in der Lawrence Mutter Erde ist und das Paradies baut, während ein gottgleicher Bardem dauernd mit neuen Leuten daherkommt, die dieses Paradies zerstören. Angefangen bei Ed Harris und einer großartigen Michelle Pfeiffer, die schlangenhaft Zwietracht sät. Da darf Kain und Abel in Form der Gleeson Brüder (ja, Domhnall hat anscheinend einen Bruder) auch nicht fehlen. Zum Drüberstreuen wirft er dann auch noch Tagesgeschehen und Umweltschutz in den Topf und wartet bis alles so richtig kocht und überzugehen droht.

Gewollt feministisch?

All das erleben wir aus der Sicht von Jennifer Lawrence. Und wenn ich erleben schreibe, meine ich erleben. Die Kamera verlässt sie selten, in zweistündiger Laufzeit (die sich wie drei anfühlen) ist die Kamera angeblich 66 Minuten auf ihr Gesicht gerichtet. Wir sind bei jeder Bewegung, bei jedem kleinen Zucken dabei. Es ist nie eine Frage, was sie gerade denkt oder wie sie sich fühlt, es ist klar. Und es tut richtig weh, dabei zu sein, wie sie ein ums andere Mal ignoriert und enttäuscht wird. Wie sie angegriffen und beleidigt wird. Die junge Frau ist den Gästen in ihrem Haus ausgeliefert, ihre Jugend ist ihre Schwäche, die von allen gnadenlos ausgenutzt wird.

mother! Flip the Truck der Österreichische Filmpodcast Jennifer Lawrence
© Paramount Pictures Germany GmbH

Die Welt ist Frauen gegenüber unfair. No shit Sherlock, werdet ihr jetzt sagen, so geht es Frauen jeden Tag, aber mother! arbeitet das mit ungeheurer Härte heraus. Jedes Mal, wenn Lawrence etwas passiert oder die Aufmerksamkeit kurz auf ihr liegt, kommt Bardem daher, überschattet es und stellt sich in den Mittelpunkt. Vielleicht ist es das, weshalb ich mother! nicht böse sein kann. Kino schafft und transportiert Wirklichkeit und Aronofsky hat mich (absichtlich oder auch nicht) wirklich fühlen lassen, wie scheiße es ist, wenn dauernd ein Mann daherkommt und sich über die Bedürfnisse anderer stellt.

mother! ist ein Film zum Diskutieren und zum Streiten. Genauso wie es Aronofsky wollte. Und es steckt alles im Titel. Für manche ist das Rufzeichen zu viel, ein Zeichen, dass Aronofsky nicht weiß, wann es genug ist und für andere ist das Rufzeichen noch zu wenig, um diese verrückte zweite Hälfte von Film anzukündigen. Aber egal, wo man steht, es ist ein Erlebnis.

Fazit (Patrick)

Film: mother!
Rating

Sehr Gut (4 von 5)

mother! ist ein Film ohne Morgen, der sich selbst für zu clever hält, aber trotzdem seine Stärken hat und wenn es nur sein bombastisches Auftischen von Geschehnissen ist. Am Ende kommst du aus dem Kino und willst darüber reden und das ist immer etwas Gutes.

Patrick Verfasst von:

Autor, Editor und Podcaster er kann schon mal Blockbuster und Kunstfilme mögen, am Ende des Tages verliebt er sich aber meistens in die Indies. Wenn er einmal etwas in sein Herz geschlossen hat, verteidigt er es wie ein treuer Hund.

3 Kommentare

  1. 15. September 2017
    Antworten

    Ich würde dir in so ziemlich jedem Punkt beipflichten. Gestern Abend im Kino gesehen und seitdem mach ich mir permanent Gedanken zu dem Film. Überall habe ich auf Letterboxd und ähnlichen Portalen von Usern gelesen, dass sie fasziniert seien, aber nicht so recht ausdrücken können warum. Noch ein paar Tage die Gedanken sortieren und interpretieren, dann wird man sich schon ausdrücken können. Mir geht es da sehr ähnlich, aber genau DAS ist unendlich genial. Aronofsky ist in meinem Kopf und haut permanent auf meine Synapsen ein, selbst gut 24h nach der Sichtung. Ich habe es schon unzählige Male bei mir im Podcast angesprochen, ich liebe Filme mit denen ich mich noch Tage nach der Sichtung auseinandersetzen kann. Filme, wo mich der Regisseur wie eine Marionette steuert und ich nicht herausfinden kann wie und warum. Ich LIEBE es! Solche Erlebnisse sind keinesfalls selbstverständlich und alleine schon deshalb ist es ein heißer Kandidat um THE HANDMAIDEN die diesjährige Krone zu stibitzen. Noch ein paar Tage die Gedanken sortieren und interpretieren, dann werde ich es wissen. ;)

    Mich würde tatsächlich mal die weibliche Sicht auf diesen Film interessieren. Sieht man da in Aronovsky einen Unsympathler und Chauvinisten, oder freut sie sich eher über sein Werk?

    • 15. September 2017
      Antworten

      Jay! Endlich auf einer Seite!
      Muss sagen es war echt schön mal wieder einen Kinosaal mit schwirrendem Kopf zu verlassen und noch lange drüber nachzudenken

  2. Avatar-Foto
    3xistentialcoffee
    16. September 2017
    Antworten

    Ich find Aronofsky in interviews ja unsympathisch und arrogant wie Innaritu. Denk aber, dass dieses zurschaustellen der Unterdrückung von Frauen nicht unabsichtlich passiert ist. Dafür ist es zu stringend. Und ich würd auch Lawrence unterstellen, dass sie den Aspekt des Filmes gesehen hat, selbst wenn Aronofsky das nur in seiner Umweltmetapher so gemacht haben sollte.

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