Wir haben den neuen James Bond gefunden.
Charlize Theron geht es gerade richtig gut. Nicht, dass es ihr jemals schlecht gegangen wäre, aber in den letzten Jahren hat sie wohl den Olymp der Schauspielerei betreten. Mit Furiosa hat sie in George Millers Meisterwerk Mad Max: Fury Road eine Figure für die nächsten Jahrzehnte kreiert und für ihren Auftritt in Fate of the Furious wohl einen schön großen Scheck bekommen. Mit Atomic Blonde hat Theron jetzt offiziell ihre Bewerbung für die Rolle als James Bond eingereicht. Weil EON aber gerade eine weibliche Agentenreihe entwickelt, wird Bond wohl noch Penis behaftet bleiben.
Zurück zu Charlize Theron und Atomic Blonde. Angesetzt während des Mauerfalls wird Lorraine Broughton (Charlize Theron) nach Berlin geschickt, um eine Liste mit allen Agenten aller Länder wiederzufinden. Also die analoge Version von Mission: Impossible. Vor Ort sollte ihr eigentlich der stationierte Agent Percival (James McAvoy) zur Seite stehen, aber der hat sein eigenes Süppchen am Köcheln. Es entwickelt sich ein brutales Katz und Maus Spiel und Lorraine bleibt nichts anderes übrig als im Stile von John Wick durch ihre Gegner zu marschieren, während die Hits der 80er einen unglaublich geilen Soundtrack dazu bieten.
Badaboom, biggest Badass in the Room
Atomic Blonde ist das Ergebnis einer leidenschaftlichen Affäre zwischen Casino Royale und John Wick, während Layer Cake aus dem Schrank heraus spechtelt. Die Action ist brutal, ohne zu sehr überstilisiert worden zu sein, während die Handlung erst Stück für Stück klar wird. Lorraines Einführung ist keine elaborierte Kampfsequenz, in der sie jeden Mann fertig macht, es ist auch kein lasziver Blick in die Kamera. Es ist eine nackte Theron, die aus einer Badewanne voll Eis auftaucht. Ihr Körper voller Blutergüsse, ihr Gesicht teilweise dunkelblau verfärbt.
Sie ist nicht unzerstörbar und auch nicht die beste Agentin aller Zeiten, sie erledigt nur ihren Job und überlebt ihn. Wenn auch nur knapp. Ihre Weiblichkeit wird nicht erwähnt, es fehlt die Szene, in der sie von einem Mann nicht ernst genommen wird, bevor sie ihn fertig macht. Zum Glück. Der Feminismus beschränkt sich auf vollkommene Gleichstellung, wie in Mad Max: Fury Road.
Dass auch die Kamera (meistens) auf voyeuristische Blicke verzichtet, liegt wohl nicht nur an Regisseur David Leitch, sondern auch an der Produzentenrolle von Theron selbst. Es huscht vielleicht einmal eine nackte Silhouette durch den Kameraschwenk oder ein Nippel wird im Hintergrund unscharf reflektiert, aber die Inszenierung ist (fast) nie erotisch. Nur in einer klaren Hommage an jeden James Bond Film muss man diese eine Ausnahme machen.
It’s John Wick, but different
Regisseur Leitch, der ehemalige Stuntman, der schon bei John Wick ein Teil des Regieduos war, bringt auch hier wieder seine Spezialität mit rein. In den Actionsequenzen brilliert Theron als widerspenstige Kämpferin, die vielleicht gewichtsmäßig unterlegen ist, das aber mit Intelligenz wett machen kann. In den Faustkämpfen bekommt sie mindestens genauso oft eine drauf, wie ihr Gegner und wenn sie ihre Hände mal an eine Pistole bekommt, fängt die Brutalität erst richtig an (Auf Headshot-Galore verzichtet Leitch allerdings).
Wer gute Action inszeniert, hat eine gute Kamera. Eine Faustregel, die sich hier bewahrheitet. In einem minutenlangen Faux-Oneshot prügelt sich Theron durch ein ganzes Gebäude, rein in ein Auto und weiter durch die ganze Stadt. Man möchte eigentlich aufstehen und applaudieren.
Wer sich aber einen John Wick Klon erwartet, wird von Atomic Blonde enttäuscht. Theron ist teilweise aber auf sich allein gestellt, das Skript unterstützt sie selten. Die Handlung erscheint unnötig komplex und gleichzeitig auch wieder etwas nebensächlich. In eine Erzählstruktur gepresst, die vor allem für den Witz zwischendurch sorgen soll (und Toby Jones in den Film befördert), steht meistens die Handlung im Vordergrund, mit Elementen und kleinen Sequenzen, die anfangs keinen Sinn machen und sich erst später zum großen Ganzen zusammenfügen. Ob das alles funktioniert und das Ende überzeugt sei hier einmal dahingestellt. Ein Agentenfilm, in dem es um Täuschung und Betrug geht, sollte das gleiche mit dem Publikum machen, aber da fehlt der nötige Twist.
Retro
Die größte Überraschung war wohl das Setting 1989, das aus den Trailern nicht ersichtlich war. Das sagt wohl mehr über die Mode unserer Zeit aus, als über den Film, der Stil heutzutage ist wohl abgekupferter als gedacht. Die Sets wechseln zwischen deutschem Plattenbau und in Neon getauchte Settings, die Lorraine in ein unnatürliches Licht tauchen. Dafür hat Atomic Blonde einen Killersoundtrack (waren die 80er doch nicht so furchtbar) mit 99 Luftballons, Major Tom und der englischen Version von Der Komissar wippt der Fuß automatich mit, während Theron sich ihrer Gegner entledigt. Es ist und bleibt eine One Woman Show.
Fazit (Patrick)
Film: Atomic Blonde
Rating
Empfehlenswert (3 von 5)
Atomic Blonde hat die Action von John Wick und eine Hauptdarstellerin mit der Verletzbarkeit aus Casino Royale. Charlize Theron ist ein Wahnsinn und brilliert in dieser in Neon getauchten Welt, ohne zum Übermensch zu mutieren. Die Handlung holpert ein bisschen, aber man kommt und bleibt sowieso für Theron.
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