Nach Superhelden, Traumagenten und Raumschiffen liefert Christopher Nolan mit Dunkirk einen Film, der uns an die Stärken des Kinos erinnert.
Dünkirchen, Frankreich, 1941. Die Alliierten sind eingekreist und haben keine Chance vor der deutschen Armee zu entkommen. Die britischen Soldaten vermögen am Strand von Dünkirchen schon fast ihre Heimat zu sehen und doch scheint die Lage hoffnungslos. Die britische Regierung ist dabei eine riesige Rettungsaktion in die Wege leiten, doch die Uhr für die Soldaten tickt unerbittlich.
Von der ersten Sekunde hämmert Christopher Nolan mit Sound und Bild auf das Publikum ein. Die Kugeln sausen am Soldaten Tommy (Fionn Whitehead) vorbei, der alles daran setzt vom Strand zu flüchten und sei die Aktion noch so unheroisch. Mr. Dawson (Mark Rylance) steuert eines der Boote, dass die Soldaten retten soll und am Himmel jagt der Pilot Farrier (Tom Hardy) die deutschen Flugzeuge.
Mit nur 1 Stunde 47 Minuten ist Dunkirk Christopher Nolans bisher kürzester Film seit seinem Debütfilm Following. Doch jede Minute länger wäre wohl nervlich schwer auszuhalten gewesen. Denn Dunkirk ist eine einzige meisterhaft inszenierte Actionsequenz, in der Nolans technische Kompetenz brilliert.
Uhrwerkspräzision
Ob Kamera (Hoyte van Hoytema), Schnitt (Lee Smith), Sound (Richard King), Musik (Hans Zimmer) oder Schauspiel (Tom Hardys Augen) – bei Dunkirk klickt alles zusammen. Eine für Nolans Verhältnisse simple Handlung dient als Bühne für all diese technischen Meister. Natürlich gibt es auch hier den Nolan Spin und so wird Dunkirk nicht linear erzählt sondern über drei zeitversetzte Handlungsstränge, die sich immer mehr annähern. Man fühlt sich förmlich in einem riesigen Uhrwerk gefangen, in dem sich die unterschiedlich schnellen Räder unerbittlich dem Ende entgegen drehen. Dieses Spiel mit Schnitt erzeugt einen unglaublichen Sog, der immer mehr zunimmt, ehe im Finale alles zusammenläuft und die Spannung sich endlich entlädt.
Interessant ist auch der deutlich reduzierte (fast schon minimale Dialog), was für Nolan Neuland darstellt. Wo sich Filme wie Interstellar und Inception viel Zeit genommen haben, um dem Publikum die Konzepte zu erklären, wird in Dunkirk fast ausschließlich über die Sprache des Films gearbeitet. Das mag natürlich der deutlich simpleren Handlung geschuldet sein, die auf einem minimalen funktionalen Level gehalten wird, aber es ist erfreulich zu sehen, wie ein Regisseur sich entwickelt. Auch die unterschiedlich schnell laufenden Handlungen erinnern an die Traumsequenzen in Inception. Doch wo Inception dieses Stilmittel in der Mechanik der Geschichte verankerte, wird es bei Dunkirk nie gerechtfertigt. Man spürt einfach, dass diese Erzählweise die einzig richtige war und ein chronologischer Zusammenschnitt von Dunkirk eine absolut unattraktive Vorstellung wäre.
Ein Film fürs Kino
How are you gonna be a revolutionary if you’re such a traditionalist?
– La La Land
Wenn es neben Quentin Tarantino noch einen Verfechter der analogen Kinotradition gibt (dem der Mainstream Gehör schenkt), dann ist es Christopher Nolan. Seine Herangehensweise an Filme ist den großen Kino-Erfahrungen (James Bond, 2001, Blade Runner) gewidmet und eben dieses Zurückbesinnen auf die Kinotradition macht Nolan zu einem unsagbar wertvollen Filmemacher.
Wo links und rechts mit billigem Greenscreen herumgeworfen wird, dreht Nolan vor Ort und verwendet Computereffekte nicht als Attraktion, sondern zur Unterstützung. Mit Dunkirk beweist er (wieder einmal), dass das Kinoerlebnis nicht durch 3D gerettet wird, sondern durch packendes Erzählen. Beim nächsten Schwimmbadbesuch sind Panikzustände vorprogrammiert, so sehr reißen die Bilder der ertrinkenden Soldaten das Publikum in ihren Bann und mit jeder Kugel zuckt man im Sitz zusammen.
Der Film geht derart unter die Haut, dass man wieder einmal nur den Kopf über die “PG-13” (= Ab 12 Jahren) Bewertung des Filmes schütteln kann. Denn Dunkirks Brutalität geht unter die Haut auch wenn kein Tropfen Blut fließen darf.
Fazit (Wolfgang)
Film: Dunkirk
Rating:
Sehr Gut (4 von 5)
Mit Dunkirk beweist Christopher Nolan, dass man kein 3D braucht, um das Publikum zu fesseln. Nach 1h47min wird man ausgelaugt im Kinosessel zurückgelassen und kann nur staunen über die technische Meisterleistung dieses Films.
Natürlich werd’ ich mir den bald auch noch ansehen. Ich freu’ mich drauf! Der wird ja sicher noch im Podcast besprochen werden.
Jap, haben gestern einen Podcast aufgenommen und wenn die Audio-Götter auf meiner Seite sind, sollte er morgen (Samstag 29.) online gehen!