Jazz, Liebe und ganz viel Melancholie.
Manchmal braucht es nicht viel, um das Publikum auf die Seite des Protagonisten zu ziehen. Am Beginn von Born to Be Blue begeistert der zutiefst nervöse Chet Baker (Ethan Hawke) mit seiner Performance beinahe den ganzen Jazzclub, doch die einzige ihm relevant erscheinende Reaktion fällt negativ aus. Genrelegende Miles Davis hat außer ein paar abschätzigen Blicken wenig Feedback zu bieten. Das innere Zerbröseln Bakers ist durch Ethan Hawkes Darstellung regelrecht spürbar und wird zur Symptomatik für den ganzen Film.
Ob die einschneidende Begegnung in dieser Form tatsächlich stattgefunden hat, bleibt offen. Denn Born to Be Blue sieht sich sehr bewusst als semi-fiktional und nützt grobe biographische Richtlinien als Ausgangsbasis für eine Charakterstudie. Passend dazu steht im Zentrum der Handlung Bakers Beziehung zu einer erfundenen Frau. Die Schauspielerin Jane (Carmen Ejogo) wurde als Kombination mehrerer Partnerinnen des Musikers konzipiert. Thematisiert wird aber auch der sehr reale Hang des Musikers zum Drogenkonsum.
Traurig und doch okay
Mit ruhiger Hand und viel Vertrauen in das selbst verfasste Drehbuch inszeniert Regisseur Robert Budreau eine denkbar intime Geschichte. Aufgrund unbeglichener Schulden wird Baker schon früh im Film zusammengeschlagen, was das Spielen der geliebten Trompete fortan zur schmerzhafte Angelegenheit macht. Dieses optische nach außen Kehren des fragilen Innenlebens ist einerseits extrem gelungen und andererseits nahezu überflüssig. Denn die schmerzerfüllten Blicke, die der großartige Hawke regelmäßig der Kamera entgegenwirft, reichen leicht aus, um beim Publikum für einen flauen Magen zu sorgen.
Selbst die Liebe zwischen Jane und Chet macht trotz erfrischend authentischer Romantik keinen allzu stabilen Eindruck. Dennoch ist Born to Be Blue nie ein endlos deprimierendes Trübsalblasen, sondern nimmt die Realität seines Titels mit bittersüßer Melancholie zur Kenntnis. Gegen Ende sieht sich der Musiker zunehmend mit einem inneren Konflikt konfrontiert. Bleibt er den Drogen fern, so scheint es, ist die Karriere ebenso zum Scheitern verurteilt wie das Alltagsleben kaum zu bewältigen ist. Gibt er dem Verlangen hingegen nach, gibt er damit seine Beziehung auf.
Dass diese Zerrissenheit beim Publikum eher auf Verständnis als Verurteilung stößt, ist ein weiterer Beleg für die Intimität, die dieser Film schafft. So wird er am Ende des Tages vielleicht kein Leben verändern, berührt den Zuseher aber auf ganz eigene Weise. Es bleibt ein ebenso widersprüchliches wie angenehmes Gefühl zurück: Nichts ist in Ordnung, aber das passt schon so.
Fazit
Film: Born to Be Blue
Rating:
Sehr Gut (4 von 5)
Ein intelligentes Drehbuch und eine herausragende Performance von Ethan Hawke machen Born to Be Blue zu einer wunderschön melancholischen Charakterstudie in semi-fiktionalen Biopic-Gewand.
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