Weil es einfach so viel Spaß macht, diesen Film zu schauen.
Liebeskomödien, die ein genaueres Hinschauen belohnen, aber gleichzeitig nicht voraussetzen, zählen zu den angenehmsten Subgenres des Kinos. Justine Triet liefert mit Victoria einen hervorragenden Vertreter, der zwar Raum für tiefere Interpretationen gibt, sich einer rein an Unterhaltung orientierten Rezeption aber nicht versperrt.
Daran ändert auch nichts, dass das Leben der titelgebenden Anwältin (Virginie Efira) wenig nach Spaß klingt. Von einem guten Freund (Melvil Poupaud) wird sie in einen brenzligen Rechtsstreit verwickelt, während Ex-Mann David (Laurent Poitrenaux) in seinem Blog intime Enthüllungen wagt. Einzig der ehemalige Drogendealer Samuel (Vincent Lacoste) sorgt als Babysitter ihrer beiden Kinder für willkommene Abwechslung.
In Victoria ist der Name Programm, denn auf fast schon absurde Weise scheint sich die ganze Welt um die Hauptfigur zu drehen. Während Samuel sich unmöglich eine andere Anwältin vorstellen kann, baut David seine komplette literarische Karriere auf dem scheinbar unfassbar spannenden Leben der Ex-Frau auf. Auch Victoria ist in erster Linie mit sich selbst beschäftigt, lässt die Kinder weitestgehend vom Fernseher erziehen und klagt sogar ihren Klienten von den persönlichen Problemen. Selbst die Avancen des Babysitters bleiben ihr ebenso wie dem geblendeten Zuseher weitestgehend verborgen.
Du siehst was du willst und das ist okay
Triet zeigt die in der westlichen Welt so modern gewordene Egozentrik gnadenlos auf, ohne ein allzu harsches Urteil über ihre Protagonistin zu fällen. Denn so selbstzentriert Victoria auch sein mag, ihre tief liegenden Probleme sind absolut echt und bedrohen durchaus ihre Existenz. Anstatt einen plumpen sarkastischen Kommentar zu tätigen, weist die Regisseurin also vielmehr auf jene Konflikte hin, die die Bereitschaft zum absoluten Individualismus mit sich bringt. Dass sich auch das Publikum nie zu einer moralischen Bewertung der Hauptfigur hinreißen lässt, ist allerdings zu einem ebenso großen Anteil der Verdienst von Virginie Efira. Sie schafft es mit herrlichen Charme, den Widerspruch aus gleichzeitigen Selbstbewusstsein und Selbstzweifel darzustellen. Auf die Idee sie könne vielleicht doch nicht der Mittelpunkt der Welt sein, kommt der Zuseher in den knapp 100 Minuten nie.
All der Subtext ist in Victoria aber lediglich ein Angebot an das Publikum. Denn wer mehr Bock auf eine Liebeskomödie mit höchstens zarter Gesellschaftskritik hat, kann dies hier ebenso wiederfinden. Praktisch von der ersten Minute weg macht dieser Film einfach unheimlich viel Spaß, was dem bereits erwähnten Charme der Hauptfigur ebenso zuzuschreiben ist wie den immer wieder absurden Wendungen des Plots. Die verrückte – wenngleich gar nicht so unrealistische – Auflösung des zentralen Gerichtsprozesses ist außerdem angenehm nachvollziehbar. Eine Liebeskomödie wird wohl nur selten für die Schlüssigkeit ihrer Handlung gelobt, hier aber ist es angebracht. Aber Vorsicht: Wer erstmal anfängt, Victoria zu loben, kann so schnell nicht mehr damit aufhören.
Fazit:
Film: Victoria
Rating:
Victoria ist auf der Oberfläche eine herrlich charmante, witzige, romantische Liebeskomödie und hat darunter eine Menge interessante Statements über den Zustand der westlichen Welt vergraben. Anschauen!
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