Seit 1998 findet in Graz die Diagonale – Festival des österreichischen Films statt. Ein Bericht eines Diagonale Erstlings.
Trotz regelmäßiger Besuche auf der Viennale oder dem /slash habe ich es erst jetzt zur Diagonale nach Graz geschafft (Michael und Anne waren da die letzten Jahre um einiges fleißiger), vielleicht weil ich ungern meine Wiener Komfortzone verlasse. Und nach einem relativ kurzen Besuch (drei der insgesamt sechs Festival-Tage) muss ich auf gut steirisch sagen „I’ll be back!“
Eine ausführliche Diskussion der Filme wird es im kommenden Podcast geben, dieser Artikel soll einen Überblick über das Festival geben. Wer mehr Fotos vom Festival sehen will, der ist mit unserem Instagram Account gut beraten!
Festival des österreichischen Films
Der Fokus auf Produktionen aus Österreich erzeugt gleich einmal ein anderes Gefühl als bei vergleichbaren internationalen Festivals. Es liegt ein fast schon familiäres Flair in der Luft. Anstatt von Eventfilm zu Eventfilm zu hetzen hat man hier die Gelegenheit nach Perlen der Filmlandschaft zu suchen, die man im regulären Kinobetrieb womöglich übersehen würde.
Die Kinos
Bevor ich aber zu den Filmen komme, muss natürlich auch auf die Kino-Landschaft eingegangen werden, denn als begeisterter Kinogänger ist auch das Ambiente ein wichtiger Faktor. In vier Kinos gab es das Diagonale Programm zu sehen:
- KIZ Royalkino (Conrad-von-Hötzendorf-Straße 10, 8010)
- Filmzentrum im Rechbauerkino (Rechbauerstraße 6, 8010)
- Schubertkino (Mehlpl. 2, 8010)
- UCI Kinowelt Annenhof (Annenstraße 29, 8020)
Die meiste Zeit verbrachte ich im KIZ, das in Graz die erste Anlaufstelle für Filme mit original-Tonspur ist. Und vielleicht ist es die Tatsache, dass es sich anfühlt als hätte man das Wiener Gartenbaukino auf die Mariahilferstraße verlegt (Übersetzung: gute Mischung aus Kunst- und Unterhaltungsprogramm in einer „hippen“ Gegend), warum ich mich dort so wohlgefühlt habe. Einziger Nachteil ist, dass man in diesem relativ kleinen Kino keine Platzangst haben darf, wenn man einen guten Sitz für einen großen Film ergattern will. Hier herrscht absolute Massenhaltung ehe sich die Türen öffnen und der Ansturm beginnt. Meine Hochachtung gilt den tapferen Diagonale MitarbeiterInnen, die in dieser Masse den Überblick über verkaufte und Rest-Karten behalten müssen.
Wo wir schon bei kleinen Kinos sind, kann man das Filmzentrum im Rechbauerkino nicht unerwähnt lassen. In dieser kleinen Mischung aus Videothek und Kino ist man gar nicht böse wenn man eine Stunde früher ankommt weil man sich im Zeitplan verschaut hat. Da gibt es dann genug Zeit durch alte Poster zu stöbern oder die DVD/BluRay Auswahl zu begutachten.
Der Weg zum Schubertkino tat sich aufgrund meiner Programmwahl leider nicht auf – nächstes Jahr also!
Und zu guter Letzt gibt es noch die UCI Kinowelt Annenhof, das trotz der Assoziation mit der großen Kette ebenfalls einen sehr angenehmen Charme versprüht.
Aber das KIZ bleibt für mich die erste Anlaufsstelle!
Zu guter Letzt noch ein herzlicher Dank an alle ModeratorInnen, die es nie müde wurden, das Publikum aufzufordern, die Handys so auszuschalten, dass sie weder läuten, noch leuchten noch vibrieren. Kinokultur gehört so gelebt!
Die Filme
Aufgrund meines kurzen Aufenthalts fiel das Filmprogramm vergleichsweise spärlich aus. Am Programm standen die vollkommmen vom Bauchgefühl gewählten Projektionen auf der Liste:
Free Lunch Society
Weil… mich schulterklopf-Dokus über Leute, die die Welt verändern wollen immer ansprechen.
Die Doku liefert interessante Blickpunkte, ist aber wie zu erwarten sehr einseitig gehalten und filmtechnisch wenig aufregend. Ein klarer Fall von einem Film der von seiner Thematik profitiert und nicht umgekehrt.
The Bad Batch
Weil… ich schon mehrmals von den Kollegen von Bildnachwirkung gesagt bekommen habe, ich soll doch bitte A Girl Walks Home Alone At Night schauen.
In diesem dystopischen Kannibalen Film mit Suki Waterhouse, Jason Momoa und Keanu Reeves gibt es einige Momente die unter die Haut gehen. Die erste halbe Stunde ist spitze, dazwischen verliert der Film etwas an Fahrt, doch der Schluss-Gag macht wieder einiges wett.
UNTITLED
Weil… ich eine Dosis „KUNST?!“ gebraucht habe und der Film im gleichen Kino wie der Folgefilm Siebzehn gelaufen ist.
Ein Film, der bewusst keine Handlung hat, ist genau was man vermutet. Die schönen Bilder reichen leider nicht, um über die gesamte Laufzeit das Interesse zu halten.
Siebzehn
Weil… mich der Trailer für Monja Arts Coming-of-Age Drama schon absolut begeistert hat.
Für mich war Siebzehn das absolute Highlight. Der Film über eine Gruppe Jugendlicher, die ihre Sexualität und den Platz in der Gesellschaft erforschen, fühlt sich an, als würde man eine TV-Staffel ohne Füller-Episoden schauen. Hier ist der Vergleich mit Fernsehen als hohes Lob zu verstehen, denn in den letzten Szenen hat man so viel mit den Figuren miterlebt, dass man glauben könnte, man hätte mehrere Stunden mit ihnen verbracht.
Kurz-Dokus
Weil… ich auch unbekannte Kurzfilme sehen wollte.
Into the White – Portrait eines Freundes war ein kurzer aber intimer Einblick in das Leben eines mit der Sucht kämpfenden Menschen. Weniger Freude gab es bei Moghen Paris – und sie ziehen mit, meine Kritik dazu bleibt so konkret wie der Film selbst.
Abgehen wie Schnitzel
Das war’s schon? Nicht ganz. Nach dem regulären Filmprogramm gab es jeden Abend ab 23 Uhr im Grazer Orpheum bei freiem Eintritt #DurchDieNacht – Cocktails, Showacts und Musik. Und es hat schon etwas ganz eigenes, nach einem langen Filmabend zuzusehen, wie zwei Tänzer in Einhornmasken (beim Auftritt der Gruppe Gudrun von Laxenburg) abgehen, als würde es kein Morgen geben.
Fazit (Wolfgang)
Wieso habe ich das so lange hinausgezögert? Auch wenn es nur ein kurzer Ausflug war, war die Diagonale ein absolutes Erlebnis. Nächstes Jahr ist das Festival wieder ein Pflichttermin!
* Banner © Diagonale
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