Romeo und Julia waren Aborigines.
Wer auf Wikipedia nach “Tanna” sucht und mal den Thüringer Kleinort selbigen Namens ignoriert, taucht recht schnell in eine uns sehr unbekannte Welt ein. Eine Geschichtsstunde über die Hauptinsel des souveränen Inselstaates Vanuatu im Südwestpazifik darf man sich im Kino aktuell allerdings nicht erwarten. Geliefert bekommt man bei Tanna hingegen eine auf wahren Begebenheiten basierende, tragische Liebesgeschichte im Aborigines-Milieu.
Im Zentrum der Handlung steht die junge Erwachsene Wawa (Marie Wawa), die sich unsterblich in Dain (Mungau Dain), den Enkelsohn des Stammesältesten, verliebt. Um einen alten Völkerkrieg beizulegen, wird sie allerdings einem anderen Mann versprochen. Spätestens als Wawa ein Kind von Dain erwartet, scheint ein Happy End ausgeschlossen.
Hurra Hurra, ein Lied ist da!
Tanna, in diesem Jahr als Repräsentant von Australien als Bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert, wird vielerorts nicht zu Unrecht als eine Aborigines-Variante des klassischen Romeo und Julia-Themas bezeichnet. Bis dieser Zusammenhang dem Publikum ersichtlich wird, kann es aber ganz schön lange dauern. Denn die Regisseure Martin Butler und Bentley Dean wählen eine, wenn nicht wage, dann zumindest sehr langsame, poetisch angehauchte Erzählweise.
Zwar ist die Story nachvollziehbar strukturiert, allzu tiefe handlungs- oder figurenbasierte Zusammenhänge darf man hier aber keine erwarten. Wie sich die Liebe der beiden Hauptfiguren erklärt, was Liebe in einem Aborigines-Stamm überhaupt bedeutet oder was dem Konflikt der zerstrittenen Völker zugrunde liegt, sind allesamt Fragen, die weitestgehend unbeantwortet bleiben. Dem spirituellen Storytelling entsprechend empfangen mehrere Stammesmitglieder von einer Gottheit Melodie und Text eines Liedes, das dem Häuptling des Dorfes zu einer wesentlichen Entscheidung motiviert.
Schöne Hülle, wenig Inhalt
Der Ultrarationale, der sich an diesem Punkt im Artikel verächtlich fragt wie zur Hölle Menschen von einer Gottheit komplette Songs ins Hirn gepflanzt bekommen sollen, hat zwar einen validen Punkt, ist bei Tanna aber fehl am Platz. Dies ist ein Film, auf den man sich einlassen, den man gewissermaßen spüren muss. Wesentlich erleichtert wird dies durch die teils wirklich schönen Bilder, die uns die Kamera von Bentley Dean liefert. Aufnahmen des im Zentrum der Insel stehenden Vulkans sowie des verwunschen anmutenden Dschungels bewegen sich – wohl auch aufgrund des Backgrounds der Filmemacher – nahe an der Grenze zum Dokumentarischen. Immer wieder wird die beeindruckende Natur zu tollen Shots eingesetzt, die die Handlung durchaus passend untermalen.
Am Ende des Tages steht und fällt dieser kleine australische Film mit dem richtigen Publikum bzw. dessen passender Einstellung. Wenn man es schafft, richtiggehend hinein zu tauchen, das poetische Feeling in sich aufzusaugen, manche Stellen vielleicht sogar bewusst überzuinterpretieren, dann könnte das Ergebnis durchaus mehr sein als die Summe seiner Teile. Ist man hingegen eher der Kino-Typ “Nüchterner Analytiker” wird man mit Tanna nur wenig Freude haben.
Fazit (Michael):
Film: Tanna
Rating:
Empfehlenswert (3 von 5)
Tanna ist ein recht oberflächlicher, aber poetisch erzählter Film, der mit seinem ungewöhnlichen Setting und einem Hang zu kitschig schönen Bildern punkten kann – sofern man sich darauf einlassen kann.
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