Lion

Dabei sein ist alles.

Es scheint als hätte die Oscarverleihung jedes Jahr seine happy to be there-Kandidaten: Filme, die gleich mehrere Nominierungen abstauben, aber kaum eine Chance haben, auch tatsächlich mit einer Trophäe nach Hause zu gehen. Mit 6 Nennungen und dennoch nur äußerst geringen Erfolgsaussichten ist Lion in diesem Jahr ein klassischer Vertreter dieser Gattung.

In der ersten Hälfte dieses relativ streng in der Mitte geteilten Filmes beobachten wir den fünfjährigen indischen Jungen Saroo (Sunny Pawar), der durch einen unglücklichen Zufall mit einem Zug meilenweit von zuhause wegfährt. Da er sich den Namen seines Heimatdorfes nicht korrekt gemerkt hat, findet er nicht mehr zurück und wird nach einer langen Odyssee von einem australischen Pärchen (Nicole Kidman, David Wenham) adoptiert. Zwanzig Jahre später will der nun erwachsene Saroo (Dev Patel) mit Hilfe von Google Maps zu seinen Ursprüngen zurück finden.

So unglaublich wie diese Geschichte klingt ist es nur naheliegend, dass sie auf einer wahren Geschichte beruht. Umso unangenehmer ist auch die erste, wesentlich stärkere Hälfte dieses Filmes. Sich vorzustellen wie der kleine hilflose Junge wegen winziger Verständigungsprobleme durch das riesige Indien geschubst wurde, geht durchaus unter die Haut. Die hochgelobte Kamera von Greig Fraser erfindet das Rad zwar nicht neu, liefert aber einen klassisch schönen Bilderfang auf konstant hohem Niveau. Zudem verabsäumt es der Film nicht, den Problemen Indiens im Zwischentext auf den Zahn zu fühlen.

Die Spannung versteckt sich im Hintergrund

Lion, © Constantin Film

In der Theorie sollte diese erste Hälfte wohl als emotionale Basis für den weiteren Verlauf dienen. Trotz famoser Schauspieler – Nicole Kidman übertrifft sie alle, aber auch Dev Patel überzeugt – geht das Konzept aber nur so halbwegs auf. Lion konzentriert sich im zweiten Segment zu stark auf Nebenhandlungen, zu denen wir nur schwer eine emotionale Bindung aufbauen können. Die lange behandelte Beziehungskrise zwischen Saroo und seiner Lucy (eine starke Rooney Mara) interessiert uns eigentlich nur mäßig. Auch der halbherzig hinein geschriebene Adoptivbruder wirkt als Figuer unterentwickelt und irgendwie fehl am Platz.

So geraten die spannenden Elemente zusehends in den Hintergrund – zum Beispiel die erste Euphorie über das neue Internet-Spielzeug Google Maps, das stundenlange Nachdenken über den korrekten Namen des Heimatdorfes oder auch der innere Konflikt ob die Suche nach der biologischen Mama nicht irgendwie undankbar gegenüber den Adoptiveltern sei. Auch in Sachen Storytelling scheint dem Film zunehmends der Bogen abhanden zu kommen, der uns zu Beginn noch gefesselt hat. Ein bisschen scheint es, als hätten Regisseur Garth Davis und Drehbuchautor Luke Davies nicht ganz erkannt, welche Teile der Geschichte wirklich spannend sind.

Dennoch: Lion scheint mir der perfekte kleine Film zu sein, ohne Potenzial irgend jemanden positiv oder negativ aus den Schuhen zu kicken. Eine Person vorzustellen, die Saroos Herkunftssuche als Filmerlebnis des Jahres bezeichnet, scheint fast unmöglich zu sein. Gleichzeitig dürfte es aber mindestens genauso schwer sein, verärgert den Kinosaal zu verlassen. Es ist einfach ein ordentlicher, netter Film – happy to be there eben.

Fazit (Michael):

Film: Lion
Rating:

Empfehlenswert (3 von 5)

Ein ziemlich guter erster und ein halbwegs guter zweiter Teil machen Lion unterm Strich zu einem soliden Film, der aber kaum jemanden so richtig umhauen wird.

Weitere Meinungen aus der Redaktion:

Fazit (Anne-Marie):

Film: Lion
Rating:

Empfehlenswert (3 von 5)

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Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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