In flotten 80 Minuten stellt die Dokumentation Tims Vermeer gigantische Fragen über Kunst und Wissenschaft in den Raum, die noch lange nachher beschäftigen.
Anmerkung: Diese Kritik wurde im Rahmen unseres Flip the Truck – Engerl-Bengerl* geschrieben. Die vier AutorInnen bekamen jeweils eine Filmempfehlung. Vom wem die jeweilige Filmempfehlung stammt wird im Weihnachtspodcast am 22. Dezember gelüftet!
Erfinder, Techniker, Gründer – der Lebenslauf von Tim Jenison ist unglaublich beeindruckend, doch was Tim seit Jahren beschäftigt ist der Barockmaler Jan Vermeer. Der große Detailgrad und die fast schon fotorealistische Qualität seiner Gemälde lassen Tim vermuten, dass es sich hier nicht nur um Technik, sondern Technologie handeln muss.
Drei Jahrhunderte nach Vermeers Tod setzt sich Tim nun also vor die Leinwand mit dem Ziel die Technologie zu finden, mit der Vermeer laut Tims Meinung gemalt hat.
Technologie und Kunst
Das Spannende dabei ist, dass Tim sich selber nicht als Künstler bezeichnet. Er ist ein Bastler und Techniker und überzeugt, dass auch Vermeer ein solcher war. Als ersten Beweis fertig Tim eine optische Apparatur an, die es ihm erlaubt ein Portraitfoto unglaublich exakt zu reproduzieren. Nach diesem ersten Proof of Concept geht es dann ans Eingemachte: das Gemälde Die Musikstunde soll nun komplett repliziert werden.
Der Aufwand, der in diese Replikation gesteckt wird ist schlichtweg beeindruckend, denn Tim baut den Raum des Gemäldes so exakt als möglich nach. Was er danach braucht ist Sitzfleisch, denn nun muss jeder Punkt, jede Faser, jede noch so kleine Struktur auf die Leinwand gebannt werden.
Und auch wenn Tim permanent betont, dass es sich hier nur um eine Technik, nicht um künstlerisches Geschick handelt, so ist die Passion mit der dieser Mann tagelang über viele Jahre hinweg malt fast schon eine eigene Form von künstlerischer Berufung. Die Grenzen zwischen Technologie und Kunst verschwimmen und der Kopf füllt sich mit Fragen über die Natur von Kunst wie es seit Banksys Exit Through the Gift Shop nicht mehr vorgekommen ist.
Unsichtbare Regie
Hinter der Kamera steht das Zauberer- und Komikerduo Penn & Teller. Während Teller die Regie übernimmt führt Penn Jillette als Erzähler durch die Geschichte. Wer das Duo aus anderen Produktionen kennt wird wenig überrascht sein, dass hier filmtechnisch wenig Neues geliefert wird. Teller erzählt gewohnt packend, aber gewohnt übertrieben die Geschichte während ein standardisierter Soundtrack in Hintergrund dudelt. Hier hören die Vergleiche mit Banksys subversiver Kunst-Doku auf, denn Tims Vermeer ist auf dem filmischen Niveau einer solide produzierten BBC Dokumentation.
Doch für eine derart faszinierende Geschichte reicht diese standardisierte Erzählweise absolut. Tims Reise zum finalen Gemälde ist einfach faszinierend und die Erzählung schafft es die komplexen optischen Ideen einfach begreifbar zu machen während gleichzeitig große Fragen über die Natur von Kunst angeschnitten werden.
Fazit (Wolfgang):
Film: Tims Vermeer
Rating:
Tims Vermeer ist zwar “nur” ein Empfehlenswert aus filmtechnischer Sicht, doch die Geschichte, die hier präsentiert wird ist absolut genial. Wer sich nur ein Fitzelchen für Kunst oder Technik interessiert ist mit diesem Film sehr gut beraten.
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