Es ist passiert: Am 25. November 2016 veröffentlichte Netflix eine neue Staffel von Gilmore Girls. 4 Folgen voller nostalgischer Momente und neuen Enthüllungen erwarteten die Fans.
Anmerkung: Hier gibt es vorab eine schriftliche Review, doch schon bald werdet ihr Annes Meinung auch im Gilmore Girls Podcast hören können!
Gilmore Girls ist Kult. Nicht nur weil die Serie es schafft, Kitsch mit Intelligenz, Humor mit Ernsthaftigkeit und Freundschaft mit Familie zu verbinden. Nein, es ist einfach so, dass man – wenn man sich nur ein bisschen mit Lorelai (Lauren Graham) und Rory (Alexis Bledel) identifiziert – die beiden Protagonistinnen lieben muss. Kein Wunder, dass die Fans der Serie nicht gerade glücklich waren, als 2007 die (vorerst) letzte Staffel ablief, die nicht einmal von der Serienmacherin persönlich geschrieben worden war. Man hatte das Gefühl um das Ende, ja noch viel mehr um die berühmten letzten vier Worte betrogen worden zu sein, die Amy Sherman-Palladino schon von Beginn an im Hinterkopf hatte.
Als verkündet wurde, dass 2016 eine neue Staffel à vier Folgen und eineinhalb Stunden auf Netflix erscheinen würde, wurden die Gefühlswelten durchgemischt. Es war ein bisschen Skepsis dabei, wie es eben in einer Zeit der Blockbuster-Fortsetzungen nunmal so kommt, wenn man hört, dass irgendwo noch ein dritter, vierter, tausendster Teil angehängt wird. Man fragte sich: “Wird es so sein wie damals?” Gleichzeitig entzündete jeder neue Teaser, und schließlich die zwei Trailer, Flammen der Vorfreude.
Nun sind die Folgen geschaut und ich frage mich, wie ich am besten diese erste Vorschau auf meine Meinung (ein sehr ausführlicherer Podcast folgt sobald!) gestalten soll. Man könnte ja fast eine Seminararbeit über diese vier Folgen schreiben, ohne wirklich viel schwafeln zu müssen. Deswegen versuche ich das aufzufangen, was am Horizont meiner Gedankenwelt aufglimmt.
Hier nun also ein erster Überblick, wer die neue Staffel gerockt, wer versagt hat und wer mit einer kleinen Variation beim Alten geblieben ist. Ich werde jetzt nicht die ärgsten Spoiler raushauen, aber auch nicht ganz auf sie verzichten.
Gewinnerin: Emily Gilmore
Ich hätte nicht gedacht, dass es so laufen wird, aber Emily Gilmore (Kelly Bishop) ist schlussendlich jene Figur, die die tiefgreifendste und realistischste Veränderung durchgemacht hat. Und das in nur vier Folgen. Also nicht, dass ich Emily früher nicht gemocht hätte, aber sie war schon eine Art Institution mit ihrer eigenen Schickimicki-Lebenswelt, den strengen Ansichten und Erwartungen, die sich nur in Mäuse-Schritten an Lorelai und Rory annäherten.
Doch nun, nachdem ihr Mann Richard (Edward Herrmann) gestorben ist, durchläuft sie viele Formen der Trauerbewältigung: Sie versucht ihre Umgebung zu verändern, geht in Therapie – wenn auch nur kurz -, redet endlich mal Klartext gegenüber ihren Schickimicki-Freundinnen und behält ein und dieselbe Haushälterin.
Als Lorelai eine eher ungute Geschichte über Richard nach dessen Beerdigung erzählt, bleibt Emily relativ lange stur und böse auf sie. Und auch wenn es ein Fehlschuss von Lorelais Seite war, hätte man sich erwarten können, dass nach sieben Jahren (=Staffeln) und den darauffolgenden zehn Jahren (Pause bis zur neuen Staffel) doch irgendwie ein besseres Verhältnis zwischen den zweien entstanden ist.
Aber gut, dann gäbe es wahrscheinlich nicht so viel Drama in der Serie und ein bisschen Drama hält die Welt halt am Laufen. Im Endeffekt wird Emily aber zu einem neuen, viel ausgeglicheneren Menschen, ohne dabei lächerlich große Sprünge in ihrer Persönlichkeit zu machen. Alles, was sie macht, ist sehr organisch und nachvollziehbar in die Story eingebettet. Gleichzeitig finde ich die Szenen mit Emily am emotionalsten in der ganzen Staffel, obwohl da nichts offensichtlich Tränendrüsen-drückendes dabei ist.
Sie hat meiner Meinung nach die Staffel “gewonnen”, weil Sherman-Palladino an ihr gezeigt hat, welch ein Talent sie noch immer hat, realistische Figuren zu erschaffen, die trotz offensichtlicher Fehler sehr sympathisch sind.
In der Mitte: Lorelai Gilmore
Lorelai ist jetzt seit fast zehn Jahren mit Luke Danes (Scott Patterson) zusammen und trotzdem gibt es Drama. Ja, das kann schon mal passieren nach so einer langen Zeit, aber man kann das Gefühl nicht abschütteln, dass es diesen “jetzt wo wir alle wieder zugucken”-Effekt hat. Das bedeutet, dass man es nicht ganz abkauft, dass die beiden plötzlich gröbere Probleme haben. Vor allem aber, dass sie ernsthaft darüber nachdenken ein Kind durch Leihmutterschaft zu bekommen. Auf der einen Seite finde ich beide dafür viel zu alt und auf der anderen Seite ist es eine: “Oh Luke, wolltest du nicht doch ein Kind mit mir? Nein? Ok, dann gehen wir halt mal so uns beraten lassen, vielleicht hast du dich voll geirrt die letzten Jahre.”-Entscheidung.
Zum Glück ist dieser Plan aber mehr ein Gag als sonst was und wird nicht weiter nachverfolgt. Auch, dass sich Lorelai plötzlich unsicher mit allem ist, kommt ein wenig unausgegoren daher. Aber Schwamm drüber, denn einige schöne Momente gegen Ende retten diese Story dann doch noch. Endlich kommt Lorelai mal ernsthaft und reif rüber, auch wenn es sieben Staffeln und drei Folgen gedauert hat. Und es steht ihr so gut! Lauren Graham schafft es, in der vierten Staffel eine neue Facette der altbekannten Figur zu zeigen, ohne dass man das Gefühl hätte, eine komplett neue Lorelai vor sich zu haben. Das fällt wieder in die Kategorie “Talent der Serienmacherin”.
Verliererin: Rory Gilmore
Es ist gewissermaßen traurig, diese Zeilen zu schreiben, denn Rory war eine Art Heldin für mich und alle Mädels, in meinem Alter. Immer freundlich, aber ehrlich, voller Ehrgeiz und Stolz hat sich Lorelai Gilmore Junior durch das Highschool und dann Uni-Leben geschlagen. Gut, sie hatte den Familienruf und das Geld auf ihrer Seite, doch trotzdem hatte man immer das Gefühl, ihre Anstrengungen und nur jene, würden vom Schicksal belohnt werden.
Umso schlimmer und leider auch ehrlicher war es, als nun Rory als 32-jährige Frau mit ihrer Journalistinnenkarriere scheitern musste. Das ist halt die heutige Zeit: Man kann nicht garantieren, dass aus dem eigenen Studium ein toller Karriereweg wird, nur weil man sich anstrengt. Und trotzdem konnte ich den schalen Beigeschmack nicht abschütteln, dass sie irgendwie aufgegeben hat. Und man möchte ihr das schon irgendwie vorwerfen, ihr, die sie immer wahnsinnig ehrgeizig war. Und gleichzeitig versteht man es doch, denn wer will schon wo arbeiten, wo es mit den Einstellungen zum Leben nicht zusammenpasst?
Und das hat Rory jetzt auch nicht per se zur Verliererin der Serie gemacht. Nein, es war die Sache mit Paul, mit Logan, der Gazette und dem Buch, das sie schließlich schreiben möchte. Vielleicht war Rory schon immer sehr egoistisch, aber nun wird dieser Wesenszug in den Mittelpunkt gerückt. Paul dient wirklich nur dazu, vergessen zu werden und das nicht nur von Rory, sondern auch von ihrer Familie. Es wird zwar als Gag inszeniert, aber ich glaube nicht, dass die Gilmore Girls früher schon so gemein zu einer Figur waren.
Gleichzeitig betrügt Rory den armen Paul mit Logan (Matt Czuchry), was überhaupt keinen Sinn ergibt, denn es liegt ihr wirklich so wenig an Paul, dass sie ihn einfach abservieren könnte ohne jemanden – außer natürlich Paul – zu enttäuschen. Ein weiteres Problem mit Rory ist es, dass ihr schon ziemlich viele Sachen in den Schoß fallen, die sie dann nicht so ernst nimmt. Die Stars Hollow Gazette zum Beispiel übernimmt sie ziemlich kurzfristig – ein Geschenk des Himmels, wenn man sich ihren Verzweiflungsgrad so ansieht – und dann verläuft die Geschichte im Sand, ohne Kampf und großer Veränderung? Das ist nicht die Rory, die wir kannten und liebten! Vielmehr wird ihr ein cheesy Plot-Device in die Hand gelegt, nämlich die gemeinsame Mutter-Tochter Biografie niederzuschreiben, die dann zufällig “Gilmore Girls” heißt.
Da zeigt sie übrigens auch, dass Egoismus kein Fremdwort für sie ist, denn sie will anfangs partout nicht akzeptieren, dass ihre Mutter die dunklen Tage ihrer jungen Elternschaft vielleicht nicht schwarz-auf-weiß lesen möchte. Dass Lorelai schließlich einlenkt liegt nur an ihrer eigenen Reife und nicht etwa an einer verständnisvollen Rory.
Ich will Rorys Namen aber trotzdem nicht durch den Kakao ziehen. Nein, ich gebe Amy Sherman-Palladino die Schuld an Rorys Scheitern. Sie wollte der fast wichtigsten Figur der Serie gerecht werden und gleichzeitig so viele nostalgische Momente in ihre Storyline legen, wie nur ging. Dass das nicht so gut gelungen ist, sieht man leider schon ziemlich eindeutig. Trotzdem werde ich Rory als Charakter immer gut in Erinnerung bewahren und diese vier Folgen werden daran zum Glück nichts ändern.
Noch mehr Meinungen zu Gilmore Girls gibts im nächsten Gilmore Girls Podcast!
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