Dieser verdammte Zement.
Im April 2010 kam es auf der im Auftrag von BP betriebenen Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zu einem sogenannten Blowout. Das – Zitat Wikipedia – “unkontrollierte Austreten von Bohrspülung, Erdöl und/oder Erdgas” führte zu einer großen Explosion, innerhalb der nächsten 48 Stunden sank die Insel. Beim Unglück selbst starben elf Menschen, der Austritt von Öl ins Meer kostete über Jahre hinweg zahlreichen Tieren das Leben.
Etwa zur selben Zeit ließ ich mich von einer Teenie-Serie mitreißen, die auf den Namen Friday Night Lights hört und über das Football-Team eines texanischen Colleges erzählt. Insbesondere die Pilotfolge, selbst in Szene gesetzt vom Produzenten der Show, Peter Berg, muss als kleines Meisterwerk bezeichnet werden. Eben dieser bereitete sich im Frühjahr 2010 wohl gerade auf die Dreharbeiten von Battleship, einem der größten Kinoflops der jüngeren Kinogeschichte, vor.
Sechs Jahre später kreuzen sich diese drei vermeintlich voneinander unabhängigen Storylines wie in einem geduldig aufgebauten Episodenfilm, um die überraschende Pointe zu präsentieren. Auf der Handlungsebene sieht das dann etwa so aus: Ich sitze im Kino und werde bei Peter Berg’s Deepwater Horizon daran erinnert, warum ich mir den Namen dieses Regisseurs eigentlich merken wollte.
Oh verdammt, die Kill-Line
Auch in eben diesem Film gibt es ein wenig Vorgeplänkel, ehe es zur Sache geht, sechs Jahre wird allerdings nicht gewartet. Es reicht, Mike Williams (Mark Wahlberg) als liebenden Vater zu etablieren, die Ehe mit seiner Frau Felicia (Kate Hudson) scheint grundsolide zu sein. Hat das Publikum die Familienkonstellation erstmal lieb gewonnen, wird sie auch schon auseinander gerissen. Denn Mike muss als Chef-Elektriker mehrere Wochen auf die Bohrinsel Deepwater Horizon. Dort kommt es zu Uneinigkeiten zwischen Oberboss Mr. Jimmy (Kurt Russell) und dessen Auftraggeber von BP, Vidrine (John Malkovich). Letzterer überredet Mr. Jimmy aus Zeitnöten – und damit indirekt: wegen Geld – dazu, trotz bedenklicher Testergebnisse mit der Bohrung zu starten, der Rest ist Zeitgeschichte.
Eine der großen Stärken von Peter Berg ist es, möglichst viele Leute mit ins Boot zu holen. Schon Friday Night Lights lebte von einer extrem realistischen Darstellung der regeltechnisch sehr komplexen Sportart, ohne dabei fachunkundiges Publikum zu verlieren. Was bei der Materie Football vielleicht noch halbwegs machbar zu sein scheint, müsste bei einer Erdölbohrung eigentlich zur Unmöglichkeit verkommen. Doch auch hier gelingt es dem Filmemacher, dem unendlich komplizierten Prozess gerecht zu werden, während er den ahnungslosen Zuseher geschickt an der Stange hält.
Die Gnadenlosigkeit des technischen Fokus wird schon früh etabliert, als dem Auftanken eines Helikopters ein Detailshot gewidmet wird. Später dürfen wir den Handelnden bei einer Diskussion darüber zusehen, ob ein Unterdrucktest auf der Kill-Line wirklich aussagekräftig ist. Was das bedeuten soll? Keine Ahnung, aber verdammt nochmal ist es spannend!
Du musst es nicht verstehen
Dabei profitiert der Film zunächst von einer hervorragenden Herangehensweise des Regisseurs sowie dessen Drehbuchautoren (Matthew Sand, Matthew Michael Carnahan). Weder wird Zeit in die ohnehin unlösbare Aufgabe investiert, mit unsäglicher Exposition dem Zuseher die Materie vollständig zu erklären, noch wird das Thema aufs Mindeste reduziert. Um die Spannung einer Geschichte zu transportieren, reicht es manchmal vollkommen, nervöse Blicke der Mitarbeiter mit diffusen Grafiken gegen zu schneiden. Der Regisseur vertraut seinem Publikum und das hält tatsächlich den Atem an, wenn sich ein Pegel verdächtig weit nach rechts bewegt. Ein Riesenlob gebührt auch den Cuttern (Gabriel Fleming, Colby Parker Jr.), die verschiedenste Blickwinkel der auch geographisch komplexen Bohrinsel zu einem sinnvollen, spannenden Ganzen schneiden, ohne jemals in Hektik zu verfallen.
Zugrunde liegt eigentlich ein simpler Trick. Gleich am Anfang sehen wir in den Tiefen des Meeres den Zement bröckeln, für dessen Testung die Verantwortlichen von BP keine Zeit mehr hatten. Außerdem auf der Seite des Zusehers ist natürlich das Vorwissen. Wir wissen, dass es schief geht und können nur auf das Unglück warten. Dieses gelungene Experiment, kaum verständlichen Inhalt höchst spannend zu erzählen, ist die große Leistung von Peter Berg. So muss der Film als klarer Erfolg gewertet werden, wenngleich er sicherlich nicht ohne Schwächen auskommt.
Tiere in der Nebenrolle
Auf der Charakterebene etwa verfolgt Deepwater Horizon sehr generische Muster. Spezifische Details des Dialogs werden äußerst offensichtlich etabliert, um später im Film einen emotionalen Pay-Off zu bieten. Wenn Mike mit einer Kollegin am Anfang fröhlich über das kaputte Auto philosophiert, wird das später wohl ebenso wichtig werden wie der Wunsch der kleinen Tochter nach einer Dino-Fossilie. Funktionieren tut das freilich nur mangelhaft, es reicht aber aus, um die Figuren überleben sehen zu wollen. Für einen Thriller, der sich mehr für andere Elemente interessiert, reicht das aus. Auch, dass keine großen Fragen über das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur in den Raum gestellt werden, scheint mir verkraftbar. Es wäre allerdings verständlich, wenn Tierschützer über das fast konsequente Leugnen der Naturaspekte ein wenig wütend sind.
Persönlich mehr schmerzen für mich die etwas billig wirkenden Special Effects. Nicht, weil alles immer dem höchsten Standard des modernen Kinos entsprechen muss, sondern vielmehr weil das Storytelling ein wenig darunter leidet. Im zweiten sowie dritten Akt gibt es Explosionen fast im Minutentakt, doch genau die können wegen ihrer eigenartigen Produktion manchmal ganz schön verwirrend sein. Was da jetzt genau passiert ist, bleibt oftmals im Dunkeln. Michael Bay für seinen Hang zu Explosionen zu kritisieren, mag angebracht sein, Peter Berg hingegen kann man nur schwer einen Vorwurf machen. Auf der Bohrinsel sind nun mal eben viele Dinge in die Luft gegangen. Schade, dass eine besser verständliche Darstellung technisch scheinbar nicht drin war.
Fazit:
Film: Deepwater Horizon
Rating:
Deepwater Horizon verwandelt eine komplizierte Materie in einen regelrechten Nailbiter, ohne die Komplexität zu reduzieren.
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