Viel Hype wurde um den neuen Film im Harry Potter Universum aufgebaut und nun gibt es die Kritik zu Fantastic Beats and Where to Find Them von unserem Potter-Experten Thomas.
Diesmal nicht in Hogwarts
Jahre vor Harry Potter folgt Fantastic Beasts and Where to Find Them dem Zauberer Newt Scamander (Eddie Redmayne) ins New York der 20er Jahre, wo er nach den titelgebenden Tierwesen sucht. Leider wird die Sache kompliziert, durch den Kulturenclash, sowie einigen von Newts Tierwesen, die unabsichtlich frei gelassen werden. Und als wäre die Jagd nach diesen Tieren noch nicht schwer genug, bedroht die Machtergreifung des europäischen Zauberers Grindelwald die Zaubererwelt.
Ohne zu verraten, was in dem Film passiert, und ohne in irgendwelche nennenswerten Tiefen zu gehen, möchte ich kurz (und möglichst spoilerfrei) schildern, welche Eindrücke das erste Sehen von Fantastic Beasts and Where to Find Them in mir hinterlassen hat.
Gleich vorweg:
Unterhaltsam ist der Film. Lieb ist er auch. Ich habe ihn weder als Geld- noch als Zeitverschwendung empfunden. Alle (meiner Meinung nach nicht nur vorhandenen, sondern nennenswerten und beträchtlichen) Schwächen werden durch genügend Stärken ausgeglichen, um den Film ganz unabhängig von seiner Zugehörigkeit zum Harry Potter-Franchise zu loben.
Zauberstab rauf für … die Figuren
Obwohl ich sie nicht zwangsläufig als die (einzigen) ProtagonistInnen bezeichnen würde, erinnern ein paar wenige Figuren des Films ausreichend an das Trio der Harry Potter-Reihe, um als das A-Team von Fantastic Beasts betrachtet zu werden. Jede dieser Figuren bringt ihre eigenen Talente und Fähigkeiten mit, ist sympathisch, trägt maßgeblich zur Handlung bei und besitzt dabei ein eigenständiges Charakterbild, das sich im Zuge des Films entwickelt und zu einer hinreichenden Dreidimensionalität führt. Drehbuchautorin J. K. Rowling hat neue Heldinnen und Helden geschaffen, die nicht an Harry, Ron und Hermione denken lassen und deren Verhalten das des originalen Trios in Sachen Vielschichtigkeit und Konsistenz dankenswerterweise übertrifft.
Auch andere Figuren des Films tragen dazu bei, dass Zuschauende in eine bunte Welt mit einem abwechslungsreichen Ensemble eintauchen können. Besonders gefreut hat mich, dass nichtmenschliche Wesen die Handlung an verschiedenen Stellen nicht nur als Mittel oder Objekt, sondern als Agierende beeinflusst haben.
Zauberstab runter für … die „Bösewichte“
Bei ganz bestimmten Handlungstragenden des Films scheint es mir leider an Tiefe zu fehlen. Besonders Rowlings Umgang mit, in Ermangelung eines besseren Wortes, „Bösewichten“ verbleibt für mich nämlich enttäuschend geradlinig und simplifizierend. Gerade zu diesem Thema fällt es schwer, zu schreiben, ohne Elemente der Handlung vorwegzunehmen – also hör ich damit auch gleich auf und vertage jegliche Rechtfertigung meiner Behauptung auf den kommenden Podcast.
Zauberstab rauf für … die zum Leben erweckte Welt
Die Darstellung der magischen Welt, vor allem die Newts fantastischer Tierwesen, ist optisch sowie rhythmisch äußerst zufriedenstellend. Das ist nicht nur den fortgeschrittenen technologischen Möglichkeiten zuzuschreiben, sondern mit Sicherheit auch dem Drehbuch und der Regie. Wenn die Zuschauenden magische Kreaturen kennenlernen, wird die Exposition über die jeweilige Kreatur zum Großteils sinnvoll in die Handlung eingebunden. Vor allem ist bemerkenswert, dass Newts Schützlinge sich auch dann bewegen und sichtlich leben, wenn sie nicht im Fokus der menschlichen Figuren sind.
Die magische Welt von Fantastic Beasts ist an den richtigen Stellen durchgehend organisch und lebendig – dank des Umstands, dass es um “Beasts” geht, sogar im wahrsten Sinne des Wortes.
Zauberstab runter für … die „Twists“
Rowling ist berühmt für ihre überraschenden Wenden, für ihre Fähigkeit, das Publikum zu täuschen, indem sie es dieses und jenes glauben lässt, um am Schluss ihrer Geschichte zu offenbaren, dass eigentlich etwas völlig anderes der Fall ist. Das regt an zum erneuten Lesen der Geschichten, die man in einem manchmal komplett anderem Licht sieht.
Es war irgendwie zu erwarten, dass sie so etwas auch bei ihrem ersten Film versuchen wird. Leider finde ich, dass es diesmal in verschiedenen Hinsichten nicht funktioniert hat. Wenn zum Beispiel eine Wende in der Geschichte kurz zuvor etablierte Regeln brechen muss, um durchgeführt zu werden, dann handelt es sich allerhöchstens um einen sehr billig erworbenen Twist, wenn das Wort hier überhaupt angebracht ist.
Zauberstab rauf für … Eigenständigkeit
Wie schon bei meinem Absatz über die neuen Hauptfiguren angedeutet, schafft es der Film in meinen Augen, sich von der Harry Potter-Reihe zu emanzipieren. Natürlich kann man nicht behaupten, dass er sich von ihr distanziert, aber das ist wohl kaum seine Aufgabe. Gerade, indem der Film es sich erlaubt hat, den Fokus auf eine andere Zeit, andere Orte und andere Personen im gleichen Universum zu richten, ist es ihm gelungen, seine Eigenständigkeit durch diese Zeit, diese Orte, diese Personen, aber auch durch eigene magische Objekte und Kräfte zu erringen und zu etablieren.
Zauberstab runter für … Szenenaufteilung, Schnitt und Länge
Ich bin kein Filmexperte. Vielleicht fehlt mir einfach eine gewisse Sensibilität für künstlerischen Ausdruck auf diesem Gebiet. Aber ich hatte an verschiedenen Stellen des Films den Eindruck, dass sich irgendjemand in der Produktionskette nicht ganz sicher war, was sie oder er denn nun genau erzählen will und wie ihr oder ihm das am besten gelingen kann.
Manche, im Gesamten wenig relevante Szenen ziehen sich in eine nicht rechtfertigbare Länge, während die eine oder andere interessante oder auch nur optisch eindrucksvolle Sequenz vorbei ist, ehe sie noch ihre volle Wirkung entfaltet hat. Ein paar Schnitte haben mich glauben lassen, ich hätte gerade geblinzelt und eine kurze Szene dazwischen verpasst.
Insgesamt führt das dazu, dass ich dem Film eine Art kleine Identitätskrise zuschreiben muss. Die Harry Potter-Geschichten haben es auf erstaunliche Weise geschafft, verschiedenste Gattungen wie Fantasy, Bildungsroman, Mystery, Politikdrama, Krimi und Romanze zu vereinigen. Fantastic Beasts scheint das auch zu versuchen – scheitert aber, fürchte ich. Inhaltlich ist der Film manchmal überall und nirgendwo zugleich.
Raum für Verbesserung
Grundsätzlich verbleibe ich hoffnungsvoll, sogar mit konkreten Vorstellungen und Erwartungen (die natürlich, wie damals bei Harry Potter, im Endeffekt der Grund für zukünftige Enttäuschungen sein könnten).
Ich glaube, wenn die nächsten Filme noch mehr „Fantastic Beasts“ in handlungstragende (oder noch handlungstragendere) Rollen rücken, kann der im ersten Streifen aufgebaute Impuls sinnvoll genützt und erweitert werden.
Wenn Fantastic Beasts and How to Kill Them, – How to Cook Them oder wie auch immer die geplanten vier Fortsetzungen heißen mögen, es zudem schaffen, mit den bereits etablierten Haupt- und Nebenfiguren in weiterhin vielschichtiger und trotzdem stringenter Weise weiterzuarbeiten, ist ein sehr wichtiger Aspekt schon gesichert und Filmgenuss garantiert. Ich sehe nach diesem Film keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Rowling das gelingen wird.
Fantastic Beasts and Where to Find Them bietet eine eigenständige Geschichte, lässt aber zahlreiche Wege offen, um ein paar spannende, originelle und qualitativ hochwertige Geschichten zu erzählen (Solange Rowling sich ein bisschen einen Ruck gibt und sich erstens wieder ein paar echte Überraschungen á la Quirrell und Peter Pettigrew einfallen lässt und sich zweitens traut, die antagonistischen Figuren ein bisschen differenzierter darzustellen).
Fazit (Thomas):
Film: Fantastic Beasts
and Where to Find Them
Rating:
Empfehlenswert (3 von 5)
Weil mich der Film unterhalten hat, weil er es schafft, trotz (selbstverständlicher) Assoziation mit Harry Potter etwas Eigenständiges darzubieten und weil die Handlungslücken und potentiellen Widersprüche zumindest irgendwie „wegzuerklären“ sind, kriegt der Film von mir drei von fünf Occamy-Eiern. Das vierte hat ein Kobold gegessen, weil die ja offenbar alle irgendwie fies sind. Und das fünfte hat sich Rowling in die Tasche gesteckt, um noch ein bisschen mehr Geld machen zu können.
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