Wie finde ich die richtigen Viennale-Filme? Indem du das ganze Programm fein säuberlich durcharbeitest. Plan B? Unser kleiner Programm-Guide!
Von 20. Oktober bis 2. November heißt es in fünf festivalerprobten Kinos wieder “Wir sind Viennale!”. Mindestens genau so spannend wie das Filmfest selbst, ist aber das Gerangel um die begehrtesten Karten, die es ab 15.10., also Freitag um 10 Uhr gibt. Und zwar sowohl im wohl wieder traditionell überlasteten Online-Shop (Registrierung schon vor Verkaufsstart empfohlen!) als auch an extra eingerichteten Vorverkaufsstellen. Aber für all diese Infos ist ja die offizielle Homepage da, wir hingegen verraten euch was ihr denn eigentlich kaufen sollt. Unser kleiner Programm-Guide verrät welche Filme später ohnehin ins Kino kommen und versucht Rücksicht auf die verschiedenen Interessen der Viennale-Besucher zu nehmen. Vier oft gehörte Slogans sollen zeigen, was du sehen oder lieber nicht sehen solltest. Viel Spaß beim Kaufrausch!
“Der kommt eh ins Kino”
Gesellt euch rund um die Viennale nicht allzu sehr auf Twitter, sonst kann es euch schon passieren vom ein oder anderen übermotivierten Beobachter für eure Filmwahl kritisiert zu werden. Besonders beliebtes Argument: “Der kommt eh ins Kino”. Persönlich bin ich nicht der allergrößte Fan dieser Argumentation, schließlich spielen da auch andere Faktoren hinein. In einem ausverkauften Gartenbaukino lässt sich der Viennale-Flair auch dann gut aufsaugen, wenn der Film ein paar Wochen oder Monate später landesweit startet. Außerdem ist beim ein oder anderen Film ja sogar der Regisseur anwesend. Dennoch: Wer rein nach dem “Den kann ich jetzt oder nie sehen”-Prinzip geht, sollte von folgenden Filmen, die bereits einen Verleih haben, fernbleiben – alphabetisch sortiert:
Arrival (11.11.), L’Avenir (04.11.), Elle (noch ohne Termin), Forushande (13.01.), Homo Sapiens (03.11.) I, Daniel Blake (25.11.), Kater (04.11.), La La Land (16.12.), Love & Friendship (29.12.), Mister Universo (11.11.), Paterson (18.11.), Stille Reserven (28.10.)
“Ich will wissn wer den Oscar gwinnt”
Die Viennale fungierte in den letzten Jahren mehrfach als Österreich-Premiere für den späteren Oscar-Champion.
So gastierten etwa Birdman, The Artist und Spotlight in Wien. Soll dieser Lauf fortgesetzt werden, ist heuer wohl Damien Chazelles Musical La La Land gefordert, das bei Experten aktuell als Topfavorit gilt. Eher in Richtung Nominierung wird es wohl für Kenneth Lonergans Manchester by the Sea gehen, Denis Villeneuves Science-Fiction-Ausflug Arrival könnte in den technischen Kategorien Stimmen für sich gewinnen.
Außenseiterchancen in der Fremdsprachenkategorie werden Paul Verhoevens Elle zugerechnet, wie bei allen Filmen dieser Kategorie sollte aber schon allein der Regisseur Verkaufsargument genug sein.
“Im Kino will ich unterhalten werden”
Mut mag in vielen Lebenslagen eine profitable Haltung sein, bei der Viennale wird sie gerne aber bestraft. Wer meint, jetzt mal so einen richtigen Kunstschinken schauen zu wollen, der kann mitunter schon mal entgeistert nach 20 Minuten aus dem Saal laufen. Wer lieber auf Nummer Sicher gehen will, kann sich vor allem an den bereits genannten Filmen orientieren. Denn was ins Kino kommt oder gar Oscar-Chancen hat, ist in den meisten Fällen auch (relativ) zugänglich.
Auf den neuen Film des iranischen Storytelling-Meisters Asghar Farhadi, Forushande (The Salesman) würde ich persönlich etwa nicht bis zum Jänner warten wollen. Wenig schiefgehen kann auch bei La Fille Inconnue (The Unknown Girl), in dem die Dardenne-Brüder mit dem Thriller-Genre experimentieren und zudem die hochtalentierte Adèle Haenel an Bord haben.
Der Hongkong-Krimi Trivisa klingt nach grundsolider Unterhaltung und auch die Doku Weiner über den gleichnamigen amerikanischen Politiker verspricht eine hohe Zugänglichkeit. Ansonsten gilt die Faustregel: Was zu bester Zeit (also am 18.00 oder 20.30-Slot) im größten Kino (Gartenbaukino) läuft, ist im Normalfall für ein recht breites Publikum geeignet.
“Herst, des is die Viennale! Ich will Kunst!”
Gib mir ein K, gib mir ein U, gib mir…. – Kunst, Kunst, Kunst! Im Vorjahr habe ich meine Kollegin (und Lebensgefährtin) dazu überredet, jenen Film zu schauen, der vom kompletten Programm am unzugänglichsten klang. Unsere Erfahrungen kann man nachhören, aber nur so viel: Schön war es nicht, ich musste mich anschließend mit einem Abendessen entschuldigen. Aber es soll ja Menschen geben, die starre, unzusammenhängende Aufnahmen mehr schätzen als das Flipthetruck-Pärchen.
Jene könnten sich zum Beispiel mit I Tempi Felici Verranno Presto (Happy Times will come soon) von Alessandro Comodin anfreunden, das eine erwachsene Rotkäppchen-Version erzählt, aber im Verlauf des Filmes ins “Ungreifbar-Diffuse” abdriftet. Aber nicht nur der Inhalt selbst kann Herausforderungen bieten, auch die Länge eines Kinoaufenthalts kann ganz schön erdrückend sein.
Wer eine Herausforderung in dieser Hinsicht sucht, kann sein Glück mit Lav Diaz’ Venedig-Gewinner Ang Babaeng Humayo (The Woman Who Left) probieren. Der kommt zwar mit einem netten Rache-Plot grauslich zugänglich daher, dauert aber angenehm beleidigende 227 Minuten.
Im Vergleich zu Homeland (Iraq Year Zero), einer Doku über den im Irak lebenden Neffen des Regisseurs, der mehr als zehn Jahre begleitet wird. Das nennt das Viennale-Programme einen “entscheidenden Film”, der Wahrheitsgehalt dieser Aussage kann in satten 334 Minuten überprüft werden.
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