Die fast perfekte Welt der Pauline (fr.: Les Chaises Musicales)

In Die fast perfekte Welt der Pauline zeichnet Regisseurin und Drehbuchautorin Marie Belhomme eine derart sympathische Protagonistin, dass man gerne über die eklatanten Schwächen ihrer Komödie hinwegsieht.

Einen Plot zu entwerfen, der ausgerechnet an einen Film des großen Mike Leigh erinnert, ist in einem Debütfilm ein gewagter Schritt. Tatsächlich ähnelt die titelgebende Figur von Marie Belhommes Regie- und Autorendebüt Die fast perfekte Welt der Pauline der Protagonistin von Happy-Go-Lucky. Beiden haben jene unabdingbar positive Lebenseinstellung, mit der dem eigenen Scheitern begegnet wird. Anders als Leighs Figur trägt Pauline (Isabelle Carré), 39 Jahre, Single und unverbesserliche Chaotin, die inneren Gräben allerdings etwas stärker nach außen.

Ihre ohnehin instabile Balance gerät völlig außer Kontrolle, als sie durch ein reines Versehen einen Fremden (Philippe Rebbot) in eine Schuttgrube stürzt, wo dieser bewusstlos liegen bleibt. Sie alarmiert die Rettung, ergreift dann aber panisch die Flucht. Von schlechtem Gewissen geplagt besucht sie den im Koma liegenden Mann täglich im Krankenhaus, bricht in seine Wohnung ein um den Hund zu füttern und wird kurzerhand zur Übergangsmutter für seinen Sohn Arséne (Camille Loubens).

Das Chaos in Person

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Inspiriert von Belhomme selbst ist Pauline ein Fleisch gewordenes Sinnbild von Chaos, was sich nicht zuletzt durch ihr ständig hektisches Umherirren von einem Ort zum nächsten bemerkbar macht. Alles was sie macht scheint dabei von einem endlosen Schuldgefühl der Welt gegenüber geprägt zu sein. Gleich zu Beginn wird das deutlich, wenn sie die in der Wohnung entdeckte Maus als Haustier hält, anstatt eine Falle einzusetzen. Carré interpretiert diese Figur auf eine extrem zarte Art, fügt ihr aber in den richtigen Momenten energiegeladenen Frust hinzu. Das Ergebnis ist eine Pauline, die man einfach nur umarmen möchte – ob aus Mitleid oder Zuneigung bleibt wohl selbst dem reflektierten Zuseher unklar.

Zumindest in der ersten Hälfte des Filmes ergänzt Belhomme ihre grenzgeniale Protagonistin mit einer von schwarzhumorigen Details geschmückten Welt. Der Seniorenclub namens „Armes Elend“ ist das beste Beispiel dafür, ein Patient im Krankenhaus, der andauernd klingelt, weil er nicht mehr sprechen kann, ist ein anderes. Diese im Hintergrund liegenden Schmunzler sorgen für richtig gute Laune, nehmen mit Fortdauer des Filmes aber immer mehr ab.

Chaos hinter der Kamera

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Diverse Kuriositäten wie etwa die unerklärte Halskrause von Fabrices Hund erwecken dann lediglich den Eindruck, das verrückte Klima müsse um jeden Preis aufrecht gehalten werden. Dazu passt, dass die Handlung des Filmes geradezu improvisiert wirkt. Die Entwicklung des Plots scheint relativ willkürlich, ein Bogen ist kaum zu erkennen. Hier wird deutlich, dass Belhomme, die mit dem ersten Drehbuchentwurf einen Wettbewerb gewonnen hatte, eher zufällig auf dem Regiestuhl landete. In Sachen Storytelling muss ihr starker Aufholbedarf unterstellt werden, als Autorin scheint sie etwas weiter zu sein.

Auch das Ende ist viel zu hektisch, eine After-Credits-Szene sorgt außerdem für einen eigenartigen Nachgeschmack. Doch trotz all dieser sehr offensichtlichen Schwächen kann man sich als Zuseher dem Charme von Pauline kaum erwehren. Ob sie sich nun in einen Komapatienten verliebt, in dessen Haus einbricht oder haarsträubende Lügen erzählt – Wir können ihr nicht böse sein und ihrem Film ebenso wenig. Eine Umarmung scheint angebrachter.

Fazit (Michael):

Film: Die fast perfekte Welt der Pauline
(fr.: Les Chaises Musicales)
Rating:

User3.Leitner.Rating2.Lukewarm.Frei.Small
Empfehlenswert (3 / 4)

Die fabelhafte Welt der Pauline lebt von seiner unwiderstehlich charmanten Titelfigur, dank der man große Schwächen im Storytelling gerne übersieht.

Weitere Meinungen aus der Redaktion

Fazit (Anne-Marie):

Film: Die fast perfekte Welt der Pauline
(fr.: Les Chaises Musicales)
Rating:

User4.Rating.3.Recommendable
Empfehlenswert (3 / 4)

Belhommes Film lebt von seinen vielen netten, absurden Einfällen, ist aber etwas zu kurz geraten und lässt den Zuschauer ein bisschen verwirrt zurück.

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Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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