Der Animationskünstler Don Hertzfeldt hat sich eine Karriere aus fehlgeschlagenen Aufträgen zusammengebastelt. Seine Strichmaxerl durchleben die surrealsten und schrecklichsten Abenteuer und haben es sogar einmal auf die Simpsons Couch geschafft. Mit World of Tomorrow hat er sich aber selbst übertroffen.
Minimalistische Strichmaxerl schweben vor bunten Wänden, Kreise und Linien sind zufällig angeordnet. Herztfeldt bleibt sich selbst treu. Seine Animationen sind seit Ende der Neunziger Jahre gleich geblieben. Nur der Erfolg wurde immer mehr und hatte seinen Höhepunkt bei den Simpsons. Sein Couchgag war das spannendste und interessanteste, was die Simpsons seit Jahren zu bieten hatten. Auch dort wurde ein Makrokosmos an Geschichten und Ideen in einen Mikrokosmos an Zeit und Animation gepackt, so wie bei World of Tomorrow.
Science-Fiction für Fortgeschrittene
Die kleine Emily bekommt Besuch aus der Zukunft. Ein Klon ist in die Vergangenheit gereist, um ihr zu erzählen wohin sich die Welt so entwickeln wird. 18 Minuten lang berichtet die Zukunfts-Emily von Gedankenübertragungen, liebesbedürftigen Robotern und ins Nichts gebeamten Menschen. Fast jeder Satz ist ein neues Gedankenexperiment und ganz nebenbei wird erwähnt, wie Menschen ihre Gedanken in einem schwarzen Würfel speichern konnten, um weiterzuleben. Blöd nur, dass eine Stunde in der realen Zeit im Würfel zu Jahren wurden und der gespeicherte Verstand der Menschen sterben wollte.
Konzepte in Reinkultur
Einer der wichtigsten und einflussreichsten Schriftsteller Südamerikas ist der Argentinier Jorge Luis Borges. Ohne ihn hätte es den magischen Realismus und Werke wie 100 Jahre Einsamkeit nie gegeben. Seine größte Stärke war sein Format – er schrieb nur Kurzgeschichten – in denen er seine Ideen so scharf, so pointiert und punktgenau formulieren musste, dass am Ende jeder Satz perfekt war.
Don Hertzfeldt macht es ähnlich und ganz anders zugleich. Seine Kurzgeschichten haben zig Konzepte und er donnert sie wie ein Maschinengewehr auf seine Zuschauer, die beim ersten Mal gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Bei jedem Schauen findet man neue Ideen, die wie im Vorbeigehen erwähnt werden und den Zuschauer auffordern, sich selbst Gedanken zu machen. Dabei gibt Hertzfeldt seinem Publikum gerade soviel Informationen, dass es kein bloßes Erwähnen ist. Alle Konzepte hat Don Hertzfeldt durchgedacht und sie zu einer zusammenhängenden Geschichte geformt.
Die süßeste Stimme
Die kleine Emily wird von Winona Mae gesprochen, Hertzfeldts Nichte. Sie ist etwa vier und brabbelt vor sich hin, was ihr gerade durch den Kopf geht. Das bringt die Handlung teilweise auf ganz neue Bahnen, manchmal ist es sinnlose Wortwiederholerei und manchmal einfach komplett unverständlich. Sie gibt World of Tomorrow aber eine Herzlichkeit, die die wenigsten Filme erzeugen können. Es ist wirklich nicht zu unterschätzen, wie viel Winona Mae dem Film gibt. Gerade im Vergleich mit anderen Werken von Don Hertzfeldt sieht man, wie oft er die emotionale Ebene lieber auslässt. Die kleine Emily hat das verhindert.
Fazit (Patrick)
Film: World of Tomorrow
Rating:
Sehr gut (4 von 5)
World of Tomorrow ist ein Sammelsurium von Ideen, Konzepten, Witzen und Spielereien, wie man es selten sieht. Die Geschichten werden in so einer hohen Geschwindigkeit erzählt, dass man den Film nochmal und nochmal schauen will. Und dann nochmal.
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