Raum ist vielleicht nicht so leicht anzuschauen, aber er trifft einen sofort ins Herz ohne auf die Tränendrüse zu drücken.
Die Welt von Jake (Jacob Tremblay) ist auf kleinsten Raum begrenzt: Er und seine Mutter (Brie Larson) leben in einem winzigen Zimmer, den sie Raum nennen. Und darunter verstehen sie nicht nur die haptische Komponente in Form der vier Wände, die sie umgeben, sondern jedes einzelne Element innerhalb der vier Wände. Die leblosen Alltagsgegenstände wie das Klo, die Badewanne oder die Tischlampe bilden die Familie des neugierigen 5-jährigen. Doch die kindliche, naive Sicht wird durch bedrohliche Szenen durchbrochen, mit denen vor allem die Mutter zurechtkommen muss.
Um aber genauer auf diesen Film einzugehen, ist es nötig, ein wenig mehr von den Geschehnissen zu enthüllen, weswegen an diesem Punkt eine Warnung ausgesprochen werden muss: Wer unwissend ins Kino gehen möchte, soll ab hier lieber nicht mehr weiterlesen und gleich zum Fazit hinunter scrollen.
Anmerkung: Eine Spoilerfreie Diskussion des Filmes findet ihr in diesem Podcast.
Regisseur Lenny Abrahamson, dessen Karriere erst durch Frank ein wenig in den Vordergrund rückte, versteht sich darauf, mit der unterschwelligen Spannung zu spielen, die entsteht, wenn man nicht genau weiß, was wirklich abgeht. Gleichzeitig behandelt er die Hauptcharaktere mit dem der Thematik entsprechenden Respekt.
Als Zuschauer hat man nämlich schon nach kurzer Zeit ein Gefühl dafür, wie sich die Geschichte entwickeln wird, oder zumindest kann man sich denken, dass es sich um eine Gefangennahme handelt. Das ganze Ausmaß der Geschichte wird in Details ersichtlich, etwa wenn Joy, die anfangs nur als „Ma“ bekannt ist, dem Entführer mit allen Mitteln verbietet, ihren Sohn anzurühren. Oder in dem Moment, als der kleine Ofen anfängt zu rauchen und es ganz deutlich vor Augen tritt, dass diese zwei Menschen ziemlich sicher sterben würden, wenn ein Feuer ausbricht.
Die Geschichte, die auf einem Buch von Emma Donoghue basiert, wird aber in Wirklichkeit in zwei Teilen erzählt und das ist auch die große Stärke dieses Filmes, denn anstatt einen klassischen Ansatz à la „Sie kommen raus und fallen sich in die Arme“ zu wählen, geht nach der emotionalen Zusammenführung das Grauen in abgeschwächter Form weiter.
Das soll jetzt nicht so klingen, als wäre es schlimm für die Figuren, dass sie aus einer Gefangenschaft befreit wurden, aber man merkt, dass sie damit anfangs nicht umgehen können. Dabei schwingt die innere Stärke und Beherrschung, die Joy die erste Hälfte ausgezeichnet hat langsam zu Jake, der sich immer mehr in die neue Situation eingewöhnt.
Es herrscht eine wahnsinnig starke Chemie zwischen Larson und Tremblay und in jeder Sekunde des Filmes weiß man, dass sie einfach zusammengehören. Beide meistern es hervorragend, sich in die komplexen Charaktere einzufühlen und vor allem Tremblay muss an dieser Stelle besonders gelobt werden: Für ein 9-jähriges Kind hat dieser Junge wirklich viel Talent als Schauspieler.
Ein weiteres Lob soll abschließend Lenny Abrahamson gelten, der darauf verzichtet, die sexuelle Misshandlung Joys plakativ darzustellen und sie nur andeutet. Diese Haltung ist gleichzeitig respektvoll und unterstreicht das Vertrauen an das Publikum, das sich auch ohne explizite Bilder vorstellen kann, welche unsagbaren Taten in einer solchen Situation an der Tagesordnung stehen.
Fazit (Anne-Marie):
Film: Raum (engl.: Room)
Rating:
Raum zeigt, dass man ein schwieriges Thema filmisch wahnsinnig spannend aufbereiten kann, ohne die Schwäche der Figuren auszubeuten. Großartige schauspielerische Leistung von beiden HauptdarstellerInnen.
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