Eine wahre Begebenheit, die die Welt veränderte: Journalisten vom Boston Globe deckten 2002 den Missbrauch durch die katholische Kirche auf. Spotlight zeigt, dass die besten Geschichten manchmal das Leben selbst schreibt.
Der Boston Globe hat seit den Siebzigern ein eigenes Team für lang dauernden investigativen Journalismus. Im Jahr 2001 setzt der neue Chefredakteur Marty Baron (Liev Schreiber) das Team rund um Robby Robinson (Michael Keaton) und Mike Rezendes (Mark Ruffalo) auf die katholische Kirche an. Diesem stößt es ungut auf, dass man bei den, sich häufenden Berichten, nie weiter nachgefragt hat. Das führt im katholischen Boston zu Konfrontationen von allem und jedem, mit einem besonderen Blick auf die Außenseiter der Gesellschaft.
Spannung pur
Journalistische Arbeit ist nicht besonders spannend. Recherchen in Archiven oder tief in Aktenberge vergraben, Telefonate, die ins Leere gehen und Leute, die nicht reden wollen. Und wenn sie mal reden, muss man herausfinden, ob sie auch die Wahrheit sagen. Check – Doublecheck – Check Again ist das Mantra.
Was die Arbeit mit Sicherheit nicht ist, ist eine cinematische Tätigkeit. Regisseur Tom McCarthys große Meisterleistung bei Spotlight ist es, dass er die große Schwäche der Story zu ihrer Stärke gemacht hat. Er hat die Arbeit der Journalisten Sasha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Matt Carroll (Brian D’Arcy James) so nah an der Realität dargestellt wie möglich und dabei den spannendsten Besuch in einem Archiv der Kinogeschichte geschaffen.
In der Ruhe liegt die Kraft
Wie die Ermittlungen, so zeichnet sich auch Spotlight vor und hinter der Kamera durch eine Unaufgeregtheit aus. Es gibt (bis auf einmal) keine herzzerreißenden Reden, keine Hektik (weder durch Schnitt noch Kamera), keine auffällige Schauspielerei. Jeder hat verstanden, dass die Geschichte im Mittelpunkt stehen muss.
Diese Entscheidung von Regisseur und Drehbuchautor Tom McCarthy wurde zwar von manchen als Schwäche angekreidet, doch Spotlight als Fernsehfilm zu bezeichnet ist absoluter Blödsinn. Der reduzierte Stil zeigt, dass McCarthy ganz genau weiß, dass die Handlung der stärkste Aspekt des Filmes ist und auf diese lenkt er seine volle Aufmerksamkeit.
Auf der Schnitt fällt weniger auf als etwa bei Filmen wie The Big Short und Mad Max: Fury Road. Wie Argo besticht Spotlight als ein Film ohne einem Gramm Fett. Jeder Shot hat seine Existenzberechtigung und bringt die Handlung weiter.
Schauspieler incognito
Auch die Schauspieler haben sich der Story unterworfen und sind mit ihren Rollen verschmolzen. Die Schauspielerei ist in Spotlight so unscheinbar, dass man von den Oscar-Nominierungen für Ruffalo und McAdams schon fast überrascht war (Ruffalo hat die einzige emotionale Wutrede im ganzen Film). Und wieder ist dies Spotlights Stärke.
Man erfährt über die Charaktere nur das, was wirklich notwendig ist. Wenn man etwas über das Privatleben erfährt, dann nur, wie sich die Ermittlungen auf dieses auswirken. Rachel McAdams hat eine starke Szene mit ihrer Großmutter, einer streng gläubigen Frau, als diese zum ersten Mal von den Missbräuchen durch Kirchenmitglieder erfährt. Es geht aber nicht um McAdams’ Charakter, sondern um die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Es ist aber nicht nur das Ensemble-Cast, dass dem ganzen einen Sinn von Realität verleiht, sondern unbekannte Darsteller, die den Opfern eine Tiefe und Ehrlichkeit geben, ohne die der Film nicht funktioniert hätte.
An einem Punkt sagt Michael Keaton: “If it takes a village to raise a child, it takes a village to abuse one” und das ist das eigentliche Thema des Filmes. Man will nur das Gute an der Kirche sehen und stempelt das Furchtbare schnell als Ausrutscher ab. Die Angst vor den Auswirkungen ist größer als das Verantwortungsgefühl, das jeder einzelne übernehmen sollte. Man merkt, wie gefährlich diese eingesessenen, mächtigen Institutionen sind, die scheinbar losgelöst von Gesetzen agieren können. Ein Problem das es auch bei uns gibt.
Die Notwendigkeit der Medien
Ganz nebenbei wird Spotlight auch noch zu einem Weckruf für all jene, die gerne Lügenpresse schreien. Knappe 15 Jahre nach der wahren Begebenheit ist so eine Ermittlung fast nicht mehr vorstellbar. Die Medien sind heutzutage in einer Sinnkrise. Immer weniger Budget für Qualitätsmedien und immer stärkerer Druck vom Boulevard sorgen dafür, dass so eine Recherche wie die des Spotlight-Teams heute wahrscheinlich nicht mehr möglich ist. Vier Leute, die monatelange Recherchearbeiten betreiben, bevor auch nur ein einziger Artikel verfasst wird, ist heutzutage nicht mehr wirtschaftlich rentabel. Dass dadurch die Kontrollfunktion durch Medien verloren geht, wird teils lächelnd in Kauf genommen.
Moviequation:
Fazit (Patrick)
Film: Spotlight
Rating
Exzellent (5 von 5)
Tom McCarthy hat mit Spotlight meiner Meinung den besten Film über Journalisten gemacht, der nicht vor der Darstellung dieser harten und frustrierenden Arbeit wegscheut. Das Ergebnis ist ein Film, der von Anfang bis Ende die Spannung halten kann und den Zuschauer lange nicht mehr loslassen wird.
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