Colonia Dignidad hat mit „Es gibt kein Zurück“ zwar einen ziemlich unnötigen deutschen Untertitel verpasst bekommen, aber zumindest erfasst er die emotionale Essenz des Filmes: Spannung.
Wir schreiben das Jahr 1973 und Chile ist gerade in Aufbruchsstimmung. Auch der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl) ist in das südamerikanische Land gezogen um den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende zu unterstützen. Durch einen Militärputsch von General Pinochet wird Chile in einer Nacht und Nebelaktion zu einer Diktatur.
Auch Daniels Freundin Lena (Emma Watson), die als Stewardess gerade einen Zwischenstopp in Chile macht, gerät in die Fänge des Militärs. Da sie aber keine echte Unterstützerin der Sozialisten ist, wird sie freigelassen. Daniel hingegen wird festgenommen und in die Colonia Dignidad verfrachtet. Diese als christliche Sekte getarnte Mini-Diktatur ist gleichzeitig das Gefangenen– und Folterlager Pinochets. An der Spitze steht der deutsche Paul Schäfer (Michael Nyqvist), dessen Wahnsinn Lena am eigenen Leib erfahren wird, da sie freiwillig in die Gemeinschaft eintritt um Daniel zu retten.
Geschichte und Fiktion
Colonia Dignidad – Es gibt kein zurück lebt von der Mischung aus Fiktion und Geschichte. Denn obwohl die Figuren Lena und Daniel erfunden sind, beruht das Leben in der Kolonie auf überlieferten Erzählungen. Auch, dass die Gemeinschaft als Folterlager verwendet wurde, entspricht der Wahrheit. Irgendwie eignet sich das Sprichwort „Die Realität schreibt die besseren Geschichten“ besonders gut um den Film zu beschreiben. Wobei besseren eher durch furchterregenderen ersetzt werden sollte.
Und da die Geschichte dieser Kolonie in den meisten Geschichtsbüchern nicht erwähnt wird, ist der Gruselfaktor noch höher, wenn man sich nach dem Filmschauen über Paul Schäfers Wahn erkundigt. Dieser Mann, der erst nach 58 Jahren voller Missbrauch von Kindern, Folter, Unterdrückung und Sadismus verurteilt wurde, wird von Michael Nyqvist auf eine subtile Art dargestellt. Und genau das lässt einem die Nackenhaare aufstellen.
Schauspielerisch stechen Nyqvist und Brühl sehr heraus, denn beide verschmelzen ganz und gar mit ihren Figuren. Emma Watson hingegen bleibt immer Emma Watson, nur ist sie mal die grantige oder verbissene Version ihrer selbst. Trotzdem passt das ganz gut zu ihren Szenen, die viel mit dem klassischen Spannungsbogen von Spionage-Filmen spielen. Es ist die alte Frage: Wird sie enttarnt oder schafft sie es Daniel zu retten? Regisseur Florian Gallenberger lässt diese Spannung aber nie erlöschen, so dass man so ziemlich die ganze Zeit an der Kante des Kinosessels sitzt und nur ganz flach atmet. Es gibt Szenen, in denen es handlungstechnisch eigentlich klar ist, wie sie ausgehen werden und trotzdem macht man sich als Zusehende fast ins Höschen.
Subtile Grausamkeiten
Bemerkenswert ist auch die Herangehensweise an die furchtbaren Dinge, die in der Kolonie geschehen sind. Es wird eine angenehme Balance zwischen Voyeurismus und filmischer Zurückhaltung geschaffen. Körperliche Züchtigungen werden durchaus angedeutet und auf der Audio-Ebene durch Schreie und Schläge verstärkt, aber die Kamera hält nicht drauf. Der Kindesmissbrauch wird so subtil angedeutet, dass er sich wie ein graues Tuch über die Geschehnisse in der Kolonie legt.
Man könnte meinen, dass es ein wenig respektlos ist, einen Thriller in ein solch grausames Geschichtsumfeld zu betten. Aber Gallenberger versteht sich darauf beide Ebenen ebenbürtig zu behandeln. Manche Szenen erinnern von der Spannung her sogar an Argo oder Room, was zeigt, dass sich der Regisseur in einer guten Sphäre bewegt.
Moviequation
Fazit (Anne)
Film: Colonia Dignidad – Es gibt kein zurück
Rating:
Sehr Gut (4 von 5)
Colonia Dignidad – Es gibt kein zurück ist ein Geschichts-Thriller, der eine gute Mischung aus Realität und Fiktion an den Tag legt. Die Wahl der Schauspieler und Schauspielerinnen ist gelungen, wenn auch Emma Watsons Art das Gegenteil von subtil ist.
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