In Suffragette inszeniert Regisseurin Sarah Gavron den Kampf der titelgebenden Frauenbewegung für das Wahlrecht auf ehrliche und packende Art, die unter die Haut geht.
London am Anfang des 20 Jahrhunderts. Die Suffragetten Bewegung kämpft seit Jahren für das Wahlrecht der Frau. Ein scheinbar hoffnungsloser Kampf. Während sich die Ungerechtigkeiten häufen, rutscht Maud Watts (Carey Mulligan) immer tiefer in die Bewegung hinein.
Geschichtsunterricht mittels Fiktion
Historische Konflikte inszenieren ist meinst eine knifflige Sache. Oftmals stechen Momente, in denen das Drehbuch dem Publikum die Lage erklärt, wie Fremdkörper aus dem Rest der Geschichte und erzeugen ein unechtes Gesamtbild.
Dieser Problematik entgeht das Drehbuch von Abi Morgan dadurch, dass es sich hier nicht um eine Chronologie der Suffragetten-Bewegung von Anfang bis Ende handelt, sondern dass wir über die erfundene Hauptfigur langsam in die Revolution eingeführt werden, die bereits in vollem Gange ist.
So nimmt Maud das Publikum an der Hand und wir durchleben völlig organisch die einzelnen Stadien. Man lernt die Suffragetten als ideologisches Konstrukt kennen, sieht die sozial schlechter gestellte Position der Frau. Langsam wir man mit Maud Teil der Bewegung, teilt ihre Erkenntnisse, versteht ihren Idealismus und fühlt die Ungerechtigkeit des Systems.
Durch diesen erzählerischen Kniff kann Suffragette je nach Zeitpunkt gezielt jenen Aspekt herausarbeiten, der in diesem Moment für das Publikum von Interesse ist und so ergibt sich eine völlig organische Einführung in diese hochkomplexe Thematik.
Von Verzweiflung und Terrorismus
Je ungerechter das System, umso verzweifelter die Kämpfer. Suffragette versteht es die positiven Ideale der Bewegung zu porträtieren, ohne gleichzeitig einen Propagandafilm zu liefern. So heißt der Film die radikalen Aktivitäten zwar nicht gut, bietet aber konsequent eine verständliche Motivation für die Akteure. Besonders durch die Szenen, in denen Abi und ihre Mitstreiterinnen verhaftet und verhört werden, ist man natürlich emotional mit den Charakteren dabei, doch gleichzeitig arbeitet der Film auch die Problematik der Bewegung heraus.
Und es ist diese reflektierte Art, die Suffragette über ein braves eindimensionales Historiendrama hebt. Denn hier geht es nicht nur um das Wahlrecht der Frau, sondern um die Mentalität einer Gruppe, die von sozialem Umschwung motiviert ist.
Der Status Quo
Diese Balance gelingt vor allem durch die Figur des Inspektor Steeds (Brendan Gleeson), der Maud über die gesamte Filmlaufzeit als Antagonist gegenübersitzt. Und was seinen Charakter so besonders macht ist die Tatsache, dass es sich hier nicht um einen grundlos bösen, frauenhassenden Inspektor handelt. Steed ist ein Charakter, der die negativen Ereignisse sieht und die gewaltsamen Aktionen der Bewegung nicht gutheißen kann. Er ist der Status Quo, doch nicht aus Gehässigkeit, sondern aufgrund seiner Angst, dass das System zusammenbrechen kann.
Gerade in den Szenen, in denen Maud und Steed sich gegenübersetzen, hebt sich Suffragette aus seiner Thematik und zeigt etwas viel Tieferes auf, nämlich den moralischen Konflikt, der jeder Bewegung inne liegt, die ein bestehendes System verändern will. Wie weit darf man gehen? Wie weit muss man gehen?
All diese Fragen sind unglaublich spannend und dass Suffragette sich weigert, klare Antworten zu geben, macht diesen Film zu einem Nährboden für Diskussion.
Fazit (Wolfgang):
Film: Suffragette – Taten statt Worte
Rating:
Sehr Gut (4 / 5)
Suffragette schafft es, ein komplexes Thema verständlich zu inszenieren, das Publikum emotional mitzureißen und gleichzeitig nicht zu einem Propagandafilm zu verkommen. Getragen von den zwei polaren Performances von Carey Mulligan und Brendan Gleeson geht Suffragette unter die Haut und wirft gleichzeitig viele interessante Fragen über soziale Revolutionen auf, die über historische Ereignisse hinausgehen.
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