The Revenant

Seinem großen Oscar-Erfolg mit Birdman lässt Alejandro González Iñárritu mit The Revenant die epische Geschichte einer amerikanischen Expedition im 19. Jahrhundert folgen. Wenngleich die zweieinhalb Stunden Laufzeit überraschend unterhaltend daherkommen, bleibt am Ende die Sinnfrage.

1823 sind Forscher im Auftrag des Militärs auf der Jagd nach Fellen in dichten Wäldern Amerikas unterwegs. Neben einem Indianerangriff macht der Expedition vor allem die Attacke eines Grizzlybären auf Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) zu schaffen. John Fitzgerald (Tom Hardy) wird beauftragt, bei Glass zurück zu bleiben, lässt ihn aber halb vergraben zum Sterben zurück. Als sich dieser schwer verletzt befreit, beginnt ein extremer Überlebenskampf, angetrieben vom Verlangen, sich an Fitzgerald zu rächen.

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Diesen Film von seiner Entstehungsgeschichte zu trennen, ist nicht zuletzt deswegen so schwer, weil diese Separation vor allem von Produktionsseite unterbunden wird. Immer wieder wurden in den Monaten vor dem US-Kinostart Meldungen veröffentlicht, wonach der Dreh mit argen Strapazen verbunden war, vor allem Lenoardo DiCaprio sei für die Rolle an seine körperlichen Grenzen gegangen. Ähnlich wie schon bei Tom Hooper’s Les Miserables, ein Film der auf seinen Live-Gesang unheimlich stolz war, ruft dies zumindest bei mir aber mehr Zynismus als echte Bewunderung hervor. Dabei könnte man The Revenant durchaus für sich selbst sprechen lassen.

Ausdrucksstark ist vor allem die Kamera von Emmanuel Lubezki, der von mancher Kritikerseite nicht ganz zu Unrecht als wahrer Auteur des Filmes gesehen wird. Neben den längeren (in Sachen Umsetzung beeindruckenden) Sequenzen, die zum Markenzeichen des Mexikaners geworden sind, gibt es auch technisch einfachere Shots, deren Schönheit einem kaum Platz zum Atmen geben. Auf den Höhepunkt getrieben wird all dies freilich in jener schon jetzt berüchtigten, wahnsinnig intensiven Szene, die DiCaprio mit einem CGI-Bären kämpfen lässt. Ob der fast vollständige Verzicht auf künstliche Belichtung die Bilderkraft auf ein neues Level hebt, bleibt einmal dahin gestellt. Schön ist aber, dass das diesmalige González Iñárritu/Lubezki-Gimmick weit weniger aufdringlich daher kommt als die vermeintliche One-Shot-Technik von Birdman.

Der Plot, den die Kamera so herrlich einfängt, weiß zwar weit weniger zu beeindrucken, The Revenant ist aber ohnehin mehr als Versuch zu verstehen, animalische Triebe in der menschlichen Seele zu erkunden. Entsprechend passend ist auch das Schauspiel von DiCaprio, der keinesfalls in seinem Charakter verschwindet, die Extremsituation seiner Figur aber äußerst spürbar macht. Da wird so viel gekämpft, gefroren, geblutet und auf noch dutzende andere Arten gelitten, dass man als Zuschauer nachher fast “DiCaprio Gesundheitszustand” in die Suchmaschine werfen möchte.

Packend, fesselnd, oberflächlich

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Zu behaupten, die 156 Minuten würden wie im Flug vergehen, wäre freilich absurd, aber die Intensität bleibt die gesamte Laufzeit über hoch genug, um sich an der Länge nicht allzu sehr zu stören. Es passiert allerdings nach dem Film bzw. an dessen Ende, dass man die Sinnhaftigkeit der Zeitinvestition ein bisschen zu hinterfragen beginnt. Klar, alles ist “schön” anzuschauen, das technische Level ist wie erwähnt beeindruckend, aber unterm Strich bleibt thematisch leider recht wenig über. Ein Protagonist hält einmal eine Trinkflasche mit einer spiralenförmigen Eingravierung in die Kamera. Es wirkt fast schon wie ein verzweifelter Versuch, das Publikum auf eine zweite Ebene hinzuweisen, die es in The Revenant zu entdecken gebe. Ohne nach einmaligen Sehen falsche Garantien abgeben zu wollen, erlaube ich es mir aber, die Existenz einer wirklich tief gehenden philosophischen Bedeutung in diesem Film zumindest zu bezweifeln.

So wirkt auch Tom Hardy’s Fitzgerald fast ein wenig deplatziert. Mit von einem Tuch versteckten Skalp grantelt er sich durch den Film und wird dabei deutlich zum Antagonisten, dessen Motivation eher dünn bleibt. Wenngleich sein Schauspiel rein isoliert betrachtet wohl sogar das beeindruckendste ist, welches im Film geboten wird, passt die einigermaßen klare Charakterschärfe nicht so ganz zum restlichen Filmeindruck. DiCaprios Leistung, so sehr man ihm auch Overacting unterstellen kann, ist für The Revenant weitaus repräsentativer: gut gemacht und fesselnd, aber eben auch absolut oberflächlich.

Moviequation:

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Fazit (Michael):

Film: The Revenant
Rating:User3.Leitner.Rating3.Recommendable.Frei.Small Empfehlenswert (3 / 5)

Alejandro González Iñárritu ist zurück und er hat mich wieder nicht ganz überzeugt. Sein The Revenant ist absolut packend sowie technisch hervorragend umgesetzt, leidet aber unter der Behauptung, viel bedeutungsvoller zu sein als er eigentlich ist.

Andere Stimmen aus der Redaktion

Fazit (Patrick):

Film: The Revenant
Rating:User2.Krammer.Rating4.Great.FreiSehr Gut (4/5)

Patricks Eindrücke hat er für The Gap hier zusammengefasst,  aber ein Rating muss sein.

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Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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