Wenn sich die Messe Wien öffnet und alle Fans von Mangas, Filmen und Games die erste Vienna Comic Con besuchen können, dann hat man ein ungefähres Bild im Kopf was einen dort erwartet. Wie sich meine Idee einer Freakshow änderte und über welche Dinge ich jetzt noch so nachdenken muss.
Schon bei der U2 Station Schottentor fallen sie einem auf, diese Kostümierten. In Gewändern die eine Mischung aus viktorianischen Kleidern und asiatischer Kriegsausrüstung sind, steht eine Gruppe von Menschen am Gehsteig. Ich selbst hetze gerade von meiner FH zur Messe Wien, darf keine Zeit verlieren. Meine Tasche ist schwer, meine Jacke zu dick und grantig schwitzend warte ich neben diesen Clowns auf die U-Bahn. Dass der Tag stressig werden würde, war mir bewusst. Nach medientheoretischen Diskussionen und einem Interview mit Adele Neuhauser muss ich durch halb Wien fahren, damit ich von einem Event berichten kann, dass ich schon als lächerlich abgestempelt habe. Der Weg der Läuterung steht mir bevor. Und wie.
Von Saulus zu Paulus
Die Freaks in der U-Bahn werden mit jeder Station mehr. Die Kostüme ausgefallener, bunter. Noch verstehe ich nicht ganz, weshalb man sich soviel Mühe macht. Als ein Supergirl vor der Halle D steht, denk ich mir nur: Die wird sich aber ordentlich verkühlen. In der Halle das zu erwartende Bild, viele Verkleidungen, die von einfach bis unglaublich raffiniert reichen. Ich muss aber erst einmal das Pressecenter finden, das in dem Moment eine Ewigkeit entfernt ist. Egal. Jacke ablegen, Ausweis abholen, zurück zur Halle, eine Runde drehen, die schwere Tasche mit Laptop hängt immer noch um meine Schultern. Nach einer Runde bin ich eher verwirrt. Das wars jetzt? Darum wurde so ein großer Tamtam gemacht? Stände mit Comicbüchern und Nerdshirts?! Menschenmassen stören mich am meisten. Mein normales Gehtempo hat Jogginggeschwindigkeit und hier muss ich auch noch Rücksicht nehmen?
Das durch die Halle bewegen ist so, als würde man ein Neugeborenes halten, man hat Angst man macht es beim Ankommen kaputt.
Die meisten Kostüme schauen zu fragil aus, um sich durch Menschenmassen zu bewegen. Zum ersten Mal mache ich mir Gedanken darüber, wie lang es wohl gedauert hat dieses Cosplay zu bauen. Ab diesem Zeitpunkt wird aus Kostüm Cosplay. Mit jedem neu gesichteten überdimensional großen Schwert steigt meine Bewunderung. Wie viele Stunden Arbeit stecken wohl in so einem zwei Meter langem Prügel aus Plastik und Alufolie? Ich selbst hab ja mal ein Kartenhaus gebaut. Bin da sehr stolz drauf, aber die Fertigkeiten für solche Gebilde übersteigen meinen Denkprozess. Immer mehr Cosplays, immer verrücktere Figuren. Ich hab zwar keine Ahnung wen sie darstellen sollen, aber das stört nicht. Kurz danach treffe ich die beste Entscheidung des Wochenendes. Eine Entscheidung die meine Grundeinstellung endgültig ändert.
Ich spring mit Wolfi von einem Turm. Als Marketing für Assassins Creed ist die Idee ja grenzgenial. Die Schlange ist zwar lang, aber zu zweit wartet es sich ja leichter. Ich lass mir mal erklären, was ich bis dahin verpasst habe, was seine Highlights waren. Game of Thrones Panel mit Finn Jones? Sehr überraschend jetzt. Schwupsdiwups sind wir an der Reihe und fahren mit dem Baukran auf zehn Meter Höhe und Wolfi stürzt sich in die Tiefe. Ich bin dran. Und wie ich springe, lasse ich all meine Vorurteile, meinen Stress und mein Belächeln der Anderen hinter mir. Meine Konzentration muss ich aufwenden, um meine Blase zu kontrollieren. Erfolgreich.
We had a blast
Von da an war die erste Vienna Comic Con ein voller Erfolg. Ich versuche die Ausstellungen zu verstehen, blättere durch ein, zwei Comics und warte auf den großen Cosplay-Wettbewerb. Dank Presseausweis sitze ich in der ersten Reihe und kann die Cosplayer in all ihrer Pracht bewundern. Und bewunderungswürdig sind sie. 731 Stunden Arbeit, sie habe mitgezählt, sagt gleich mal die erste Cosplayerin. Sie stellt ein großes rosa Etwas dar, mit einer längeren rosa Lanze. Kaum bin ich fertig das zum Leben erweckte Krebsgeschwür zu bewundern, kommt schon das nächste Cosplay auf die Bühne. Alle beeindruckend, alle mit unglaublichem Arbeitsaufwand zusammengestellt. Ich bin nur froh, dass ich nicht in der Jury sitze. Das Highlight des Bewerbes war ein drei Meter großer Transformer, der zu groß und zu schwer für die Bühne war. Er hat natürlich gewonnen. Ich bin zufrieden.
Mittlerweile bin ich froh dabei zu sein. Im Pressecenter gibt es Essen und Trinken, man kann sitzen. Wolfi und ich suchen uns Fotos aus, erstellen Alben, bringen den ersten Podcast aufs Band. Die VIECC hat es sich anscheinend zum Ziel gesetzt, mir in jedem Punkt zu widersprechen. So auch bei Wienerland, der ersten österreichischen Fantasyserie. “Bitte sei nicht so schlecht wie ich denke, dass du bist”, murmel ich vor mich hin. Und wer hätte das gedacht, sie ist es nicht. Sie ist sogar richtig anschaubar. Tonmischung und Effekte passen noch nicht ganz, aber das liegt am Budget und an der Saalakustik. Potential ist zumindest da und kurzerhand wird das Wienerland Panel am nächsten Tag zum Fixtermin.
Und zum Abschluss etwas Ruhe
Der zweite Tag der Vienna Comic Con ist von Beginn an viel ruhiger. Wir ziehen durchs Gelände und machen Fotos von CosplayerInnen. Sie zeichnen sich durch unglaubliche Freundlichkeit aus. Jeder posiert bereitwillig für ein Foto. Jeder erklärt wen er darstellt. Man spürt die Freude, die unsere Beachtung auslöst. Nicht weil sie alle so aufmerksamkeitsbedürftig sind, sondern weil sie ihr Hobby teilen wollen. Das planmäßige Highlight des Tages ist ein Panel mit Gus Frings himself: Giancarlo Esposito. Auf unglaublich sympathische Art und Weise wird aus dem Gespräch schlagartig ein Motivational Poster. Esposito spricht von guten Gedanken, Ideen, die Wurzeln schlagen und gleitet etwas ins Esoterische ab. Seine Ratschläge sind aber gut und die Veranstaltung ist unterhaltsam, also lass ich es ihm noch einmal durchgehen.
Nach dem Wienerland Panel ergattern wir ein Interview mit den beiden Regisseuren Jan Woletz und Stefan Polasek, die zwar total übermüdet, dafür aber auch total euphorisch sind. Aus 15-20 Minuten wurden 50 Minuten. Aus Interesse wurde Unterstützung. Man will ihnen einfach die Möglichkeit geben, ihre Vision umzusetzen. Wir begeben uns wieder in Halle D. Wir suchen nach weiteren coolen Cosplays. Wir finden sie.
Nach sechs Stunden kann ich getrost sagen, dass ich ein Fan der VIECC geworden bin. In der U-Bahn sehe ich wieder viele CosplayerInnen sitzen. Bewundernd schaue ich mir ihre Eigenkreationen an und denke an den Vortag. Denke an meinen Wandel und freue mich, dass ich jetzt endlich was mit diesem ganzen Popkulturfirlefanz anfangen kann.
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