Nicht einmal 10 Jahre nach der zurecht gefeierten Doku Man On Wire wird dem berühmten Seiltänzer Philippe Petit und seinem Gang zwischen den Türmen des World Trade Centers ein Spielfilm gewidmet. Kann Robert Zemeckis mit The Walk eine so baldige Neuinterpretation des Stoffes rechtfertigen?
Anfang der 1970er Jahre entdeckt Seiltänzer Philippe Petit (Joseph Gordon-Levitt) einen Artikel über den Bau des World Trade Centers. Von diesem Zeitpunkt an träumt er davon, in mehr als 400 Metern Höhe zwischen den beiden Türmen des ikonischen New Yorker Gebäudes auf einem Seil zu tanzen. Mit der Unterstützung seiner Freundin Annie (Charlotte Le Bon), seines Idols und Lehrer Papa Rudy (Ben Kingsley) sowie dem Fotografen Jean-Louis (Clément Sibony), macht er sich daran, den unglaublichen Coup zu verwirklichen.
Zucker-Überdosis
Das größte Kunststück, das der Film leisten muss, ist, sich genug von der hervorragenden 2008er Dokumentation Man on Wire zu distanzieren, um diese rasche Neuinterpretation zu rechtfertigen. Zemeckis versucht das vor allem mit Hilfe einer recht halbherzigen Integration der Hintergrundgeschichte zu erreichen. Dabei reiht sich der Film zumindest phasenweise in die beinahe ausgestorbene Gattung der “Best Of”-Biopics ein. Wie Petit zu seiner Leidenschaft gefunden hat wird ebenso kurz erwähnt wie ein Stunt von Petit beim Notre Dame in Paris. Gleichzeitig will The Walk aber ein Film über den World Trade Center-Tanz bleiben und so entsteht eine kritische Ambivalenz.
Zumindest muss Zemeckis aber angerechnet werden, dass er in dieses problematische Grundkonstrukt ein paar einigermaßen originelle Ideen hineinzuarbeiten versucht. So kommt der Film zu Beginn längere Zeit ohne englischer Sprache aus und das Geschehen in Frankreich wird charmant untertitelt. Auch hier regiert allerdings Halbherzigkeit, schon bald spricht Petit mit seiner Gefolgschaft nur noch mit von starkem Akzent begleitetem Englisch. Gemessen an einem Biopic ist auch die Filmsprache ein origineller Ansatz, der große Wille, Charme zu versprühen ist ständig spürbar. Leider wird aber ganz viel Zucker in einen Teig gemischt, bei dem eine wesentliche Grundzutat abhanden gekommen ist. The Walk ist an manchen Stellen picksüß, hat aber keinen Geschmack und ist daher oftmals richtig langweilig. Wie eine wenig inspirierte Version von Tim Burtons eher durchschnittlichen Big Fish zu wirken, kann für keinen Film erstrebenswert sein.
Starker Schluss zu wenig
Als dann im Mittelteil über Ben Kingsleys Figur ein emotionaler Moment aufgebaut werden soll, bleibt der Zuseher ratlos zurück. Soll mich das jetzt wirklich berühren? Auf dem Weg zum großen Finale erinnert der Film dann eher an Ocean’s Eleven, vom im World Trade Center arbeitenden Geschäftsmann bis hin zum kiffenden Nichtsnutz hat hier jeder seine Aufgabe. Das illegale Besteigen der Türme wird als Vorspiel inszeniert, als Höhepunkt soll dann die CGI-lastige Inszenierung des Seiltanzes fungieren.
Und ja, es ist das Highlight der gut zwei Stunden Spielzeit, als Philippe Petit endlich auf dem Turm angelangt ist und auf einem dünnen Seil in der Luft schwebt. Als die Szene des Jahres, die einen mehr als durchschnittlichen Film auf respektables Niveau hebt, vermag ich es aber nicht zu sehen. Dazu erscheint der Versuch, die Kunst in Petits Tat zu erkennen, einfach viel zu verkrampft. Technisch ist das Ganze freilich beeindruckend, aber um die wirklich quälende Langeweile, die davor aufkam, wett zu machen, reicht es bei weitem nicht aus.
Moviequation:
Fazit (Michael):
Film: The Walk
Rating:
Robert Zemeckis hat auf den Charme-Knopf gedrückt, raus gekommen ist aber nur gähnende Langeweile. Das Grande Finale von The Walk ist beeindruckend, rettet den Film aber leider nicht vor dem Mittelmaß.
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