Von 22. Oktober bis 5. November findet in Wien das größte Filmfestival Österreichs statt. Nicht weniger als 300 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme werden bei der Viennale über die Leinwand flimmern. Grund genug, ein paar Empfehlungen auszusprechen.
Zwei Herbstwochen lang herrscht in unserer Hauptstadt unter Filmfans ein Ausnahmezustand. Die Viennale belagert die Wiener Kinos und hat offensichtliche Pflichttermine ebenso im Programm wie potentielle Perlen aus der ganzen Welt. Um die Suche nach einem passenden Film in der gigantischen Auswahl zu erleichtern, haben wir den berüchtigten Pocket-Guide durchgeforstet und Empfehlungen für euch aufgestellt. Dabei definieren wir ein paar Kategorien, damit das Ganze noch übersichtlicher ist.
Kategorie 1: Die G’schicht mit den Oscars
Ganz ohne Zynismus kann man sich der Faszination nicht hingeben, man entkommt ihr aber auch nicht: Die Oscars sind jedes Jahr ein absoluter Fixpunkt im Filmkalender. Dabei kann man sich auf die Viennale verlassen, die jedes Jahr ein paar der Anwärter in ihrem Aufgebot hat. So waren mit Birdman, Argo und The Artist drei der letzten vier Bester Film-Gewinner am Festival zu sehen.
Heuer hat wohl Spotlight, Thomas McCarthys Film über investigative Journalisten aus Boston, die besten Chancen darauf, diese Serie aufrecht zu erhalten. Für einige Kategorien relevant sein könnte auch Todd Haynes Liebesmelodram Carol, bei dem vor allem die Schauspielerinnen Cate Blanchett und Rooney Mara auf Nominierungen hoffen dürfen. Anomalisa von Drehbuch-Genie Charlie Kaufman könnte zu den Animationsfilmen gehören, die bei den Oscars gegen Inside Out verlieren dürfen. Auf zwei hoffnungsvolle Dokumentationen wird in einer anderen Kategorie genauer eingegangen.
Termine:
Spotlight – 24.10., 20.30h, Gartenbaukino / 27.10., 10.30h, Gartenbaukino
Carol – 22.10., 23.30h, Gartenbaukino / 24.10., 23.30h, Gartenbaukino
Anomalisa – 5.11., 23.00h, Gartenbaukino
Kategorie 2: Geschichten
Die Kategorie mag widersprüchlich klingen, denn eigentlich sollte man das Vorhandensein einer Geschichte bei einem (Spiel-)Film voraussetzen können. Aber die Viennale hat andere Regeln, da kann dann in der Kurzbeschreibung schon mal stolz davon die Rede sein, dass das vorgestellte Werk auf narrative Strukturen verzichtet. Wer genau hinschaut, wird aber auch ein paar klassischere Erzählungen finden. So verspricht der mexikanische Carmín Tropical etwa, ein Krimi über eine Transgender-Frau zu sein, die sich auf die Suche nach dem Mörder ihrer Freundin macht. Japanisch überdreht dürfte die Manga-Verfilmung Kiseiju sein, die von einer Alien-Invasion und dem jungen Schinichi erzählt, der sich mit einem Busen grabschenden Hand-Parasiten herumärgern muss. Vielleicht nicht unbedingt storylastig aber nichtsdestotrotz zugänglich sollte The Devil’s Candy sein, der im Programmheft als waschechter Horrorfilm verkauft wird.
Termine:
Carmín Tropical – 4.11., 18.00h, Urania
Kiseiju – 28.10., 23.00h, Gartenbaukino / 2.11., 11h, Statdtkino im Künstlerhaus
The Devil’s Candy – 30.10., 23.00h, Gartenbaukino / 31.10., 13.30h, Stadtkino im Künstlerhaus
Kategorie 3: Dokumentationen
Auch bei den Viennale-Dokus kann schon einmal was Abstraktes dabei sein, es gibt aber auch viele sehr spannende Einträge in dieser Kategorie. Darunter finden sich wie eingehends erwähnt auch zwei interessante Oscar-Anwärter. Ganz gute Chancen auf eine Nominierung hat etwa The Wolfpack, der von sechs Brüdern erzählt, die von ihrem Vater bis in ihre Jugend hinein eingesperrt wurden, da er sie von den Gefahren der Außenwelt beschützen wollte. Noch bessere Karten, womöglich sogar auf die Trophäe selbst, hat die The Act Of Killing-Fortsetzung The Look of Silence. Hierbei werden die Opfer von politisch motivierten Massenmorden Indonesiens in den 1960er Jahren thematisiert. Einen etwas anderen Zugang zum Genre liefert Rodney Ascher ab, dessen The Nightmare von der gängien Schlafparalyse erzählt und bereits als gruseligster Dokumentationsfilm aller Zeiten gehandelt wird.
Termine:
The Wolfpack – 28.10., 15.30h, Gartenbaukino / 31.10., 13.00h, Urania
The Look of Silence – 23.10., 18.00h, Gartenbaukino
The Nightmare – 29.10., 23.30h, Gartenbaukino / 4.11., 13.00h, Urania
Kategorie 4: Die Challenges
Nachdem wir uns über drei Kategorien hinweg mit diesen verachtbaren, zugänglichen Borderline-Mainstream-Filmen auseinadergesetzt haben, kommen wir jetzt zu den Werken, mit denen man sein Filmfan-Ego so richtig pushen kann. Wie wäre es, bei Freunden angeben zu können, man sei fünf (!) Stunden am Stück im Kino gesessen?
In diesen Genuss kommt man beim japanischen Happy Hour, in dem Jun ihren Freundinnen von der hässlichen Scheidung erzählt und danach spurlos verschwindet. Klingt nach wenig Inhalt für 317 Minuten? Naja, wir haben ja auch das Privileg (hier zitiere ich das Programmheft) “scheinbar nebensächlichen Ereignissen quasi in Echtzeit beiwohnen zu dürfen”.
Eine ähnliche Mammutaufgabe dürfte die von der internationalen Kritik gefeierte Arabian Nights-Trilogie sein, die die Viennale aber in zweifacher Form anbietet – als langes Triple Feature oder auf drei Tage aufgeteilt. Anstrengend geht aber auch, wenn der Film nur etwas mehr als eine Stunde dauert. Oder klingt der “freie, assoziative Strom von Bildern und Tönen, Fragmenten des Lebens”, den 88:88 verspricht, nach Unterhaltungskino?
Termine:
Happy Hour – 5.11., 12.00h, Metro Kino
88:88 – 23.10., 23.30h, Stadtkino im Künstlerhaus / 25.10., 18.30h, Urania
As Mil e Uma Noites (Arabian Nights):
Vol. 1 – 29.10., 15.00h, Gartenbaukino / 1.11., 18.30h, Stadtkino im Künstlerhaus
Vol. 2 – 30.10., 15.00h, Gartenbaukino / 1.11., 21.00h, Stadtkino im Künstlerhaus
Vol. 3 – 31.10., 15.00h, Gartenbaukino / 1.11., 23.3oh, Stadtkino im Künstlerhaus
So, das war einmal ein erster Eindruck über die Filme, welche man während der Viennale schauen kann, wir werden noch einiges über das Festival berichten und auch spezielle Podcasts im Rahmen des Festivals aufnehmen!
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