Denis Villeneuve zementiert mit dem vielleicht besten Film dieses Jahres seinen Status als einer der interessantesten neuen Stimmen in Hollywood. In Sicario schickt er Emily Blunt in den erbarmungslos brutalen Krieg gegen mexikanische Drogenkartelle und beweist, dass es nicht die Waffe ist, die eine Frau zum starken Charakter macht.
Als toughe Ermittlerin für das FBI ermittelt Agentin Kate Macer (Emily Blunt) normalerweise bei Entführungen, doch als ein Befreiungseinsatz schief geht, muss sie mit dem undurchsichtigen Matt (Josh Brolin) zusammen arbeiten und sie lernt den Kampf gegen die Kartelle aus einer neuen Perspektive kennen, abseits von Moral und Gesetzen.
Roger Deakins’ 13. Nominierung
Sicario nimmt von der ersten Sekunde Fahrt auf und steigt nie auf die Bremse, das höchste der Gefühle ist ein kurzer Tritt vom Gaspedal, damit man nicht aus der Kurve fliegt, aber das war es dann schon wieder mit Ruhe. Kurz durchschnaufen kann man nur bei atmosphärisch aufgeladenen Kameraflügen von Roger Deakins. Es ist schon unglaublich, wie einfach es seine Expertise mit hinter der Kamera zu bemerken, ohne dass er es darauf anlegt. Zuerst sieht man immer eine gute Kameraführung die von keinerlei Schnitt unterbrochen wird und danach kommt irgendwann der Punkt, bei dem man sich denkt: “Mann, das ist wirklich gut.”
In Sicario war dieser Moment eine einfache Einstellung:
Josh Brolin steigt aus einem Flugzeug und geht die Treppe hinunter und anstatt einer ruhigen Kamera am Boden, bewegen wir uns zeitgleich mit ihm die Stiegen hinunter. Deakins und Villeneuve entscheiden sich hier mehrmals für schwierige Einstellungen bei denkbar kurzen Szenen und es ist jene Aufmerksamkeit zum Detail, die mich fix mit einer Nominierung für Best Cinematography bei den diesjährigen Oscars rechnen lasst (auch wenn schon im Vorfeld Emmanuel Lupezki für The Revenant der haushohe Favorit ist).
Hochwertigst
Doch genauso qualitativ wie Deakins’ Arbeit ist auch das restliche Produkt. Emily Blunt scheint die toughe Frauenrolle für sich reserviert zu haben und hat dazu in Interviews unglaublich reflektiert und intelligent gesprochen. Denis Villeneuve hat über ihr Casting geredet und dabei gleich darauf verwiesen, dass das Studio eigentlich eine männliche Besetzung wollten und daraufhin das Budget nach unten angepasst hat. Traurig aber wahr und lustig zu sehen, dass das eigene Studio keine Ahnung vom geplanten Film hat, denn ein männlicher Protagonist hätte Sicario mehr geschadet als gebracht. Doch mehr dazu später.
Emily Blunt spielt ihren Charakter so nah an der Realität wie nur irgend möglich. Sie ist fokussiert auf ihre Aufgabe und obwohl sie in eine neue Situation geworfen wird und wir mit ihr die Spielregeln entdecken, ist sie nie eine leere Hülle. Stattdessen ist sie jemand der sich an die neuen Gegebenheiten anpassen muss und dies auch sehr schnell tut. Im Film gibt selbst gibt es eine Szene, in der sie als die geeignetste Kandidatin ausgewählt wird, eine Szene die stark an Das Schweigen der Lämmer erinnert.
Ich bin kein Fan von Josh Brolin. In all seinen Filmen gibt er die gleiche Performance und die ist meistens langweilig. Nur hin und wieder gelingt es ihm eine Rolle maßgeschneidert zu servieren und dann ist er erträglich. Denis Villeneuve hat aber das Meisterwerk zusammengebracht aus Josh Brolin nicht nur eine brauchbare, sondern eine wirklich gute Leistung herauszuholen. Wie er das gemacht hat ist? Da bin ich absolut überfragt, aber es ist ihm gelungen und er sorgt zwischendurch für die notwendigen Lacher und Schmunzler um den dichten Plot etwas aufzulockern.
Das Drehbuch kommt von Erstlingsschreiberling (!) Taylor Sheridan, den einige von euch vielleicht aus der Serie Sons of Anarchy kennen, welcher Denis Villeneuve erst davon überzeugen musste den Film zu machen. Man spürt richtiggehend wie sehr sich Sheridan mit dem Thema auseinandergesetzt hat um zu so einem realistischen Ergebnis zu kommen. Wenn man sich ein bisschen in die mexikanischen Drogenkriege einliest, erkennt man die berichteten Geschehnisse in dieser fiktiven Welt wieder. Die Visualisierung dieses Grauens macht es noch deutlicher. Mehr noch: die Beiläufigkeit des Schreckens verstärkt den Effekt um ein Vielfaches. Es spricht für das gesamte Team, die Mechanismen in Sicario so gut zu verstehen, dass eine Wand voller Vermisstenmeldungen nur für einige Sekunden in den Fokus kommt, der Zuschauer aber schon längere Zeit damit unterbewusst konfrontiert wird.
Layer Cake
Ein Professor von mir hat gute Literatur einmal so definiert: “Literatur in der man immer etwas neues finden kann, egal wie lange es sie schon gibt und egal wie viele Leute sich davor schon damit beschäftigt haben.” Sicario ist so ähnlich. Noch Wochen nach der Pressevorführung finde ich neue Interpretationsmöglichkeiten, manche von Villeneuve und Sheridan beabsichtigt, manche wahrscheinlich nur Zufall oder meine Einbildung, aber genauso wie bei guter Literatur geht es nicht um die Absicht der Künstler, sondern um das was man darin finden kann.
Emily Blunts Kate Macer ist der stärkste Charakter des Filmes. Die Männer sind ihr körperlich überlegen, Brolin hat das Wissen, Del Toro ist mit einer Verbissenheit auf der Jagd nach seinem Ziel, wie Roland in Stephen Kings The Dark Tower. Doch Macer ist die große Stärke des Filmes. Sie ist der moralische Anker der nicht nur fragt, was notwendig ist um die Kartelle zu besiegen, sondern was das bedeutet. Brolin spielt schmutzig in einem Krieg den man nur schmutzig führen kann und der Film besitzt die Intelligenz zu wissen, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Es geht nur darum eine Situation zu schaffen, die kontrollierbar ist. Emily Blunt ist die einzige die das hinterfragt. Wir reden hier immer von den mexikanischen Drogenkriegen, doch das Problem gäbe es nicht ohne einen Milliardenmarkt in Nordamerika, der diese Drogen kauft. Man spielt Schach gegen einen Gegner, der unendlich Bauern hat und dessen König nie in Gefahr gerät. Kate Macer versteht diese Situation, doch das hält sie nicht davon ab die Frage, die es zu stellen gibt, auszusprechen. Wenn Benicio del Toro zu ihr sagt: “This is the land of wolves, and you’re not a wolf.”, dann ist das kein Vorwurf, sondern ein verdammtes Kompliment.
Moviequation:
Fazit (Michael):
Film: American Ultra
Rating:
Exzellent (5 / 5)
Verdikt:
Film: Sicario
Rating: Exzellent
Denis Villeneuve gelingt mit Sicario erneut ein Film der den Zuschauer packt und ihn erbarmungslos durch die Geschichte zerrt. Es bleibt wenig Zeit zum Atmen, während man tiefer und tiefer im Gezeigten versinkt. Die Kamera von Roger Deakins ist natürlich der absolute Wahnsinn und alle Schauspieler (sogar Josh Brolin) zeigen, was sie drauf haben. Besonders Emily Blunt impft ihrem Charakter soviel Persönlichkeit ein, dass man gar nicht umhin kann, als mit ihr mitzufiebern. Mir fällt einfach nichts ein, was mich an dem Film gestört hat und jeder muss diesen Film sehen.
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