Frisch vom Erfolg mit Frances Ha stürzt sich Noah Baumbach wieder in sein altbekanntes Territorium und schickt Ben Stiller und Naomi Watts auf die Suche nach deren Platz in der Gesellschaft, mit lustigen, denkanstoßenden Folgen.
Die G’schicht mit der Jugend
“Youth is wasted on the young“, sagte Bernard Shaw einmal, doch er könnte nicht weiter weg von der Wahrheit sein. In einer Zeit, in der Menschen immer länger als jung angesehen werden, der Druck auf sie aber immer früher einsetzt, wird Jugend noch ungreifbarer als sonst schon. Jugend ist ein Gefühlszustand den man erst fühlt, wenn es zu spät ist. Es funktioniert nur mit dem Blick zurück und erfordert eine Selbstreflexion ein, bei der man erst angelangt, wenn man sich selbst nicht mehr als jung einstufen kann/will. Der Wechsel von “Jetzt bin ich erwachsen und nehm am echten Leben teil” zu “Vor sechs Jahren wars noch g’miatlich und leiwand” ist fließend, manchmal sogar überlappend und hängt von der Tagesverfassung ab. Auch wenn man uns von flipthetruck als jung einstuft, habe zumindest ich oft das Gefühl, ein alter Geist in einem älter werdenden Körper zu sein. Nachdem diese Überlegungen als Ausgangslage für Gefühlt Mitte 20 gesagt wurden, zu Ben Stiller und Naomi Watts:
Ein Monat zählt noch als spontan
Der Dokumentarfilmer Josh (Ben Stiller) arbeitet seit Jahren an einer Folgedoku zu seinem großen Durchbruchsfilm, doch weder das Thema (a chronicle about society, power, and the post-industrial military complex; It’s really about America), noch die Herangehensweise hat er bis jetzt so richtig herausgefunden. Seine Frau Cornelia produziert Dokumentationen, nur nicht die von Josh, sondern von ihrem berühmten Vater Leslie Breitband (Charles Grodin), da Josh ein Naturalist ist und sich stets im Schatten des großen Dokumentarfilmers fühlt (Im Finale des Filmes kommt alles bei einer Preisverleihung für Leslie zusammen, während Josh’s Prinzipien an Finding Vivian Maier erinnern). Doch Josh wird von einem jungen Hipsterpärchen in Form von Jamie (Adam Driver in bestem Girls – Modus) und Darby (eine auszuhaltende Amanda Seyfried) aufgegabelt und befreundet. Fortan fühlen sich Josh und Cornelia in ihre Jugend versetzt (inkl. Hip-Hop Kurs und Yogadrogenerfahrungen zur Selbstreinigung) und Jamie weiß geschickt, die neue Bekanntschaft für seine Ziele einzusetzen.
Gegenüberstellungen
Der Fokus liegt zwar auf Ben Stiller, doch ein Held der Geschichte schaut anders aus. Oft braucht er die Hilfe des jungen Jamie und meistens gehen die Witze des Filmes auf seine Kosten. Er ist das One-Hit Wonder, das verzweifelt versucht seinen Erfolg zu reproduzieren, während er mit einer jüngeren und talentierteren/rücksichtsloseren Version von sich selbst konfrontiert wird. Und das in einer Welt, in der das Generationseigene durch die Hipsterkultur auch noch entfremdet wird. Wenn ihm Jamie zum Anstimmen Eye of the Tiger vorspielt, erinnert sich Josh noch an die Zeit als das Lied einfach nur als schlecht gegolten hat. Der große Abnabelungsprozess von Josh startet zudem, als ein Bandname einer obskuren 70er Jahre Werbung entnommen wird, die Josh als seine Kindheitserinnerung zu beschützen versucht. Die Idee, dass die Wiederverwendung und Neuinterpretation von Dingen der Milleniumsgeneration zu einer Entfremdung der älteren Generationen führen kann, war für mich neu, macht aber Sinn und wird intelligent aufgefasst.
Mit der Zeit gehen
Josh und Cornelia fühlen sich nicht recht wohl in ihrer Altersgruppe, sie fühlen sich etwas außen vorgelassen. Schon allein weil alle Freunde derzeit mit ihren Neugeborenen herumhantieren (alle in ihren 40ern) und sie kinderlos sind. Cornelia sucht sogar in einer Szene den Kontakt zu ihrer besten Freundin und besucht kinderlos eine Babymusikveranstaltung, bei der Eltern die wehrlosen Dinger im Takt von furchtbarer Live-Musik herumkneten. Nicht nur Cornelia will nach einigen Minuten die Flucht ergreifen, auch alle Kinder und Zuschauer. Generell sind es die Hipster, die in der Zeit stehen geblieben sind, beziehungsweise in ihrem Fall in der Zeit zurückgegangen sind. Sie sammeln Platten, sporteln mit den Kids vom Block (im Gegensatz zum Hometrainer) und radeln auf 80er Rädern durch die Straßen. Die alte Generation versucht sich davon eine Scheibe abzuschneiden, teilweise zu komischen Effekten (Ben Stiller trägt ab einem Drittel aus Prinzip einen hippen Hut), doch gerade Josh isoliert sich dadurch selbst.
Von der anderen Seite
Der Film wird mit Sicherheit einen hohen Zuspruch der “älteren” Zuschauer haben, doch auch die “jungen” Mittzwanziger haben genug Dinge, die sie für sich entdecken können. Das Gefühl von “Die Jugend von heute, also wirklich” stellt sich schon bei uns ein, wenn wir einen Blick auf die eindeutig verkommenen 16-Jährigen werfen. Jamie ist vielleicht eine Art Bösewicht, ein karrierefixiertes Arschloch, das Menschen für sich einzusetzen weiß. Doch die Anfangssympathie ist echt, genauso wie der langsame Gefühlswandel für Josh bei jedem nachvollziehbar ist. Und am Ende, wenn Noah Baumbach seinen typischen Punkt gemacht hat und jeder seinen Platz im Leben für sich gefunden hat, fühlt man sich selbst weniger alt als zu Beginn.
Moviequation:
Fazit (Patrick):
Film: Gefühlt Mitte 20 (engl.: While We’re Young)
Rating:
Gefühlt Mitte 20 (While We’re Young) ist eine lustige, gute und auch intelligente Erweiterung für die Noah Baumbach Sammlung, hat allerdings ein paar Strecken im Film, die zu witzlos sind und auch ein Turn der Erzählung (hin zu einer ethischen Diskussion des Dokumentargenres) ist nicht für jedermann. Angeschaut sollte er trotzdem werden, am besten ganz altmodisch auf einer Leinwand anstelle eines Smartphone-Displays.
Schreibe den ersten Kommentar