Återträffen

Auf der Grundlage eines kleinen moralischen Dogmas zeigt die Künstlerin Anna Odell in ihrem Debütfilm Återträffen auf, wie man das Thema Mobbing optimistisch behandeln kann, ohne dabei auf Verharmlosung oder einfache Lösungen zurück zu greifen.

Erzählerischer Twist als cinematische Integrationshilfe

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Das frühere Mobbingopfer Anna Odell (Anna Odell) wird beim Klassentreffen nach zwanzig Jahren erneut zum Außenseiter, da sie sich gegen die Behauptungen der hierarchischen Oberhäupter stellt, es wäre damals alles bestens gewesen. Mit aggressiven Ansprachen sowie vorwurfsvollen Einzelgesprächen macht sie den entscheidenden Personen ihrer Kindheit klar, welch Verbrechen sie eigentlich begangen haben.

So weit sieht die Ausgangsposition in Återträffen (The Reunion), dem Debütfilm der bekannten schwedischen Künstlerin Anna Odell aus. Doch nach etwa 45 Minuten erlaubt sie sich einen erzählerischen Twist, der zunächst wie ein billiges Gimmick aussieht, in Wahrheit für die Wirkungskraft des Gesehenen aber von großer Bedeutung ist. Das gezeigte Klassentreffen wird als Kurzfilm enttarnt, den die als Einzige nicht zur Veranstaltung eingeladene Anna gedreht hat, um ihn ihren damaligen Kollegen zu zeigen.

Auch wenn dies nie explizit geklärt wird, ist deutlich zu erkennen, dass der Film eine Art Doku-Spielfilm ist. Die Reaktionen der ehemaligen Mitschüler Annas auf ihren Klassentreffen-Kurzfilm werden hier nachgespielt. Natürlich wehren sich die ehemaligen Schulkollegen dagegen den Clip überhaupt anzusehen. Die, die der Geschichte der Künstlerin dann doch eine Chance geben, weisen jedoch die Schuld von sich. Man sei eben noch ein Kind gewesen, außerdem sei alles schon ewig her und viel zu dramatisch dargestellt. Återträffen ist wie ein kleiner Rachefeldzug aufgebaut, weshalb dieser kleine cineastische Trick enorm wichtig ist. Nur so gelingt die starke Identifikation mit der Hauptfigur.

Passen Schuld und Kinder zusammen?

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So raffiniert dieser Handgriff ist, die moralische Grundaussage bleibt selbstverständlich schwierig. Dass den ehemaligen Mitschülern im Kindesalter die moralische Beurteilung schwer gefallen ist, ist irgendwo verständlich. Dieses Argument ist schwer weg zu diskutieren und der Grund dafür, dass vor allem Eltern und Lehrer zur Mobbing-Prävention angewiesen werden. Odell spricht diese Denkweise gleich zu Beginn des Filmes an, ignoriert sie von da an aber konsequent, indem sie ihre Mitschüler alleine schon durch die fehlende Einladung zum Klassentreffen nicht aus der Täter-Rolle entkommen lässt. Diese emotionale Herangehensweise kann man Återträffen zwar böse nehmen, damit würde man aber den Punkt des Filmes verfehlen.

Denn dieser will eben keine großangelegte Analyse, keine Suche nach Lösungen sein, sondern ist der persönliche Kommentar einer Betroffenen, die nach zwanzig Jahren einen Schritt nach vorne machen möchte. Wie tief die Problematik in den Gedanken der Künstlerin verankert ist, zeigen bedrohliche Kamerafahrten durch enge Klassen-Korridore sowie kurze Sequenzen, in denen Odell, mit Kopfhörern von der Außenwelt abgekapselt, wie eine Besessene durch die Stadt joggt. Mobbing wird hier vor allem in Form seiner langfristigen Konsequenzen gezeigt und gewinnt so trotz oder gerade durch die Abwesenheit der Kinder an Grausamkeit.

Das vielleicht Bemerkenswerteste an Återträffen ist aber, dass es auch ohne Verharmlosung des Themas einen optimistischen Schluss findet. Zu den wunderschönen, luftigen Klängen von Laurie Anderson’s “Let X = X” schwebt die Kamera in Vogelperspektive über den Sportplatz hinweg, ehe am Dach der Schule Anna Odell auftaucht, die scheinbar tief entspannt mit ihrem Freund das Geschehen beobachtet. Es ist das fast schon kitschig perfekte Ende eines hervorragenden Films, der Mobbing bewusst nicht in seiner gesamten Form wahrnimmt, aber weiß, wie man Optimismus wirklich buchstabiert.

Fazit (Michael):

Film: Återträffen
Rating:

User3.Leitner.Rating5.Excellent.Frei.Small
Exzellent (5 / 5)

Återträffen ist eine ungemein kreative, emotionale und entschlossene Abrechnung mit dem Thema Mobbing.

Weitere Meinungen aus der Redaktion

Fazit (Patrick):

Film: Återträffen
Rating:

User2.Krammer.Rating4.Great_.Frei_1
Sehr Gut (4 / 5)

Fazit (Wolfgang):

Film: Återträffen
Rating:

User1.Wolfgang.Rating3.Recommendable.Frei_1
Sehr Gut (4 / 5)

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Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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