2008 legte Regisseur Jon Favreau mit Iron-Man den vielleicht bis heute besten Marvel-Film vor, nur um bei der Fortsetzung an kreativen Einschränkungen zu scheitern. Jahre später erzählt er mit Chef (der im deutschen Verleih die gewohnt dämliche seine kleine persönliche Rache-Geschichte mit vielen bitterbösen Anspielungen auf die Unterhaltungsmaschine Hollywood.
Carl Casper (Jon Favreau) kündigt seinen gut bezahlten Job als Chefkoch bei einem renommierten kalifornischen Restaurant, nachdem sein Boss (Dustin Hoffman) ihm eine konventionelle Speisekarte vorschreiben möchte. Aus Trotz startet er einen Food Truck, der durch Amerika reist und mit natürlichen Zutaten zahlreiche Kunden begeistert. So ganz nebenbei versucht Carl noch, die Beziehung zu seinem Sohn Percy (Emjay Anthony) wieder aufzubessern.
Rachefeldzug
Es mag schwer zu akzeptieren sein, aber Marvel schreibt seit einigen Jahren ein nicht unwesentliches Kapitel Filmgeschichte. Multi-Franchise und Shared Universe sind aus unserem Film-Wortschatz kaum mehr wegzudenken. Der Name von Jon Favreau ist mit diesem Phänomen unzertrennlich verbunden, schließlich hat er vor mehr sieben Jahren mit Iron-Man nicht nur Fans gebunden, sondern auch viele Kritiker ins Boot geholt. Eine schlimm gescheiterte Fortsetzung und die berühmten “creative differences” später wollte der einstige Indie-Regisseur mit Marvel nicht mehr ganz so viel zu tun haben.
Chef ist ohne Zweifel Favreaus kleiner Rachefeldzug gegen die Marvel-Diktatur. Vor diesem Hintergrund macht insbesondere der Anfang des Filmes richtig viel Spaß, da jede Situation sehr leicht auf die Filmbranche umzumünzen ist. Kostprobe gefällig? Carl schlägt einen sehr modernen, originellen Hauptgang vor, der von seinem Chef als absurd abgestempelt wird. Also muss der Koch einmal mehr alte konservative Speisen verkaufen, die just vom Fachkritiker als langweilig kritisiert werden. Ziel dieser Kritik ist natürlich Carl selbst, eine Allegorie auf den Regisseur als Bauernopfer in einem konservativen Hollywood, das sich weigert, alte Erfolgsformeln aufzugeben.
Bald ist alles gesagt
Nach diesem starken Beginn fällt der Film aber ein wenig ab, man hat zu schnell das Gefühl, das Wichtigste sei bereits gesagt worden. Die Beziehung Carls zu Ex-Frau (Sofia Vergara) sowie Sohn Percy, der den Sommer mit Papa im Food Truck verbringt, ist zwar angenehm unkompliziert, wirklich fesseln tun die kleinen Konflikte aber nicht. Chef ist, auf niedrigerem Niveau, auch nach den gewaltigen Anfangsminuten noch sehenswert, dafür sorgt allein schon der Foodporn, den die Kamera hervorragend einfängt. Der Höhepunkt ist aber eben schon recht rasch vorüber.
Achja, und bei aller betonter Unabhänigkeit ist es dem Film dennoch nicht peinlich, eine zweistündige Twitter-Werbung zu sein.
Um noch einmal den Vergleich mit Hollywood zu bedienen: Es wird auch deutlich, dass Favreau das Publikum in den Schutz nimmt und es als durchaus offen ansieht. Der Foodtruck mit den avantgardistischen Speisen wird schließlich auch vom Mainstream dankend angenommen. Sieht man sich den gigantischen Erfolg des Marvel-Einheitsbreis an, mag diese These optimistisch klingen. Auf der Gegenseite stehen natürlich die Batman-Trilogie oder auch, um ein aktuelles Beispiel zu bedienen, Mad Max: Fury Road, die trotz cineastischen Ambitionen sehr erfolgreich waren und sind. Insofern ist die Botschaft des Filmes durchaus gültig, enorm sympathisch ist sie sowieso.
Für einen leicht bitteren Nachgeschmack sorgt aber die Tatsache, dass es sich im Grunde genommen auch bei Chef nicht gerade um die Neuerfindung des Rades handelt. Es ist eine grundsolide Feelgood-Komödie, mit vorprogrammiertem Happy End, einem ganz klassischen Aufarbeiten der Vater-Sohn-Beziehung und eben ein bisschen Tiefgang, wenn man sich darauf einlassen möchte. Es ist schön, dass sich Favreau wieder dem Indie-Film widmet, große Originalität zu promoten ist hier aber schwierig. Der Film ist im Grunde nämlich “nur” gut, außergewöhnlich ist lediglich der Hintergrund.
Fazit (Michael):
Film: Kiss the Cook (engl.: Chef)
Rating:
Empfehlenswert (3/5)
Chef ist eine bitterböse Allegorie auf Favreaus eigenes kreatives Scheitern in Hollywood und ist als solche zu Beginn ebenso clever wie lustig. Allerdings kristallisiert sich mit Fortdauer des Filmes die recht ordinäre Grundstruktur immer stärker heraus.
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