Mit Lost River versucht sich Ryan Gosling zum ersten Mal als Regisseur und das Resultat wirkt am Ende wie eine filmische Version seiner Band Dead Mans Bones mit einer Collage seiner Lieblingsregisseure und dem vermeintlichen Drang alles in einen Film zu werfen.
Alleinerziehende Mütter und Dinosaurier
Billy (Christina Hendricks) ist eine Mutter, die sich um zwei Kinder kümmern muss, verzweifelt versucht ihr Haus zu behalten und deshalb für den schmierigen Dave ( großartigen gespielt von Ben Mendelsohn) zu arbeiten beginnt. Währenddessen versucht ihr älterer Sohn Bones (Iain De Caestecker) ein bisschen Geld zu verdienen. In einer Landschaft, die von der Wirtschaftskrise zerstört wurde, stiehlt er Kupferleitungen aus verlassenen Häusern, nicht sehr zum Gefallen von Bully (Matt Smith), dem selbsternannten Herrschers über das Gebiet.
Gutes und Schlechtes am Berühmtsein
Der Film ist untrennbar an seinen Schöpfer gebunden, was zwar einerseits viele Vorteile hat, aber am Ende des Tages auch das Hauptproblem ist. Gosling umschart sich mit ehemaligen Arbeitskollegen, seiner kleinen Filmfamilie. Vor der Kamera sieht man Hendricks aus Drive und Mendelsohn/Mendes aus Place Beyond The Pines vor der Kamera während Johnny Jewel wie schon bei Drive für die Musik sorgt. Die Berühmtheit des Regisseurs hat auch sicherlich nicht geschadet um Benoit Debie als Kameramann anzustellen.
Die Einladung nach Cannes, welche Anfangs noch als Segen erschien, sollte sich für den Film schon bald als Fluch erweisen. Kritiker haben es sich im französischen Haifischbecken nicht nehmen lassen den Film zu vernichten. Oft schien es eher ein Angriff auf die Hollywoodpersönlichkeit Goslings zu sein und nicht der Film an sich. Ich halte es da eher wie Anne Thompson von Indiewire, allerdings sehen wir nicht den Originalschnitt von Cannes, sondern einen kürzeren, überarbeiteten Film.
Zum Film…
Ohne Frage hat der Film einige Schwächen, die wohl in einem etwas unausgereiften Drehbuch liegen. Die Idee eines dunklen Märchens ist hier etwas zu unausgereift und wenn Bones mit seiner Nachbarin Rat (Saoirse Ronan) einen eingebildeten Fluch von der Stadt besiegen will, fehlen die klaren Regeln, wieso was wo wie passiert, doch vielleicht war das Absicht (Albträume haben keine Regeln und somit keine Lösungen). Seine Einflüsse präsentiert er auch etwas zu offen, so ist der Beginn gleich einmal eine Kopie des Openings von Blue Velvet mit einem Hauch Tree of Life. Später sehen wir dann in einem schrägen Nachtclub cronenberg’sche Performances von Eva Mendes und Christina Hendricks, während der Großteil des Filmes in ein Winding Refn beeinflusstes Neon getaucht ist, die Kamera immer wieder Züge von Derek Cianfrance aufzeigt. Der Übergang zwischen diesen ganzen verschiedenen Stilen und Looks geschieht beeindruckend fließend, wirkt nie fehl am Platz. Benoit Debie, der auf Film drehen konnte, hat sich hier austoben dürfen. Ein Zoo, ganz überwuchert von Grün und eine Straße, die einfach in einem See verschwindet, das Zimmer von Rat, das nur von einem pinken Neonflamingo beleuchtet wird und ein Dunkelheit durchbrechendes brennendes Haus. Das alles sind wirklich wunderschöne Bilder und zeigen, dass Gosling ein gutes Gespür für Kompositionen und Bilder hat. Man sollte hier nicht vergessen, dass Lost River sein Erstlingswerk ist und seine Klinge sicher noch feiner wird.
Was für eine Nacht
Der Film ist mit Sicherheit eher ein visuelles Erlebnis, doch wenn ein interessantes Konzept vorgestellt wird, dann so richtig. Der Nachtclub (angehaucht von ähnlichen Clubs in Paris der Zwanziger) bei dem Billy zu arbeiten beginnt ist ein eigenes surreales Erlebnis. Eine Art Gore-Burlesque-Show, bei der sich die auftretenden Damen nicht entkleiden, stattdessen aber scheinbar getötet werden, nur um danach ins Publikum zu zwinkern, sodass das Club-Publikum ohne schlechtes Gewissen sich im Fake-Blut ergötzen kann. In der vielleicht beeindruckendsten Szene schält sich Christina Hendricks die Haut vom Gesicht. Ein grusliges Bild, das hängen bleibt, schon allein wegen der Perfektion der Ausführung. Die Zuschauer sollen sich verlieren in der Abstrusität und vergessen, oder ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Frauen können sich in eine Schutzhülle einschließen und die Kundschaft schreit sich geradezu den Frust von der Seele.
Nachdem der Film vorbei war, wollte ich in diesen Club gehen, mir alles anschauen, die Bühnenshow erleben, kurz, ich wollte in dieser Welt bleiben.
A mad man without a box
Nur noch kurz gehört Matt Smith hervor gehoben. Der verrückte Bully, der sich einbildet der Herr über die Stadt zu sein. Er lässt sich in einem weißen Cabrio durch die Strassen fahren, selbst sitzt er auf einem riesigen Ohrensessel, der über der Rückbank befestigt ist und schreit durch ein Mikrofon, dass alles seins ist. Von der Tatsache, dass er leere Häuser beschallt, lässt er sich nicht abschrecken. Oft nur in einer mit Pailletten bestickten Jacke unterwegs, bestraft er Leute, die ihn enttäuschen mit dem Abschneiden ihrer Lippen. Matt Smith spielt eine wahnsinnigere Version seines Doctors (aus Dr. Who), der auf der anderen Seite des Spektrums von Gut und Böse steht.
Es ist für mich oft schwierig bei abstrusen Filmen mein Interesse aufrecht zu erhalten, ich erinnere mich noch an Mulholland Drive und wie ich mich konzentrieren musste. Deshalb rechne ich Lost River hoch an, dass ich trotz der Ungewissheit des Nachtclubs, der konzeptionellen Schwierigkeiten des Märchens und fehlplatzierten Elementen (eine schweigende Großmutter, die alte Hochzeitsvideos schaut, wirkt trotz Verbindung zum Fluch in den Film geworfen) immer gespannt war und wissen wollte wie es weiter geht. Doch kann ich mich nicht davor verschließen, dass es Leuten ganz anders gehen kann und wenn sie den Film zerlegen wollen, können sie das und ich bin dabei so machtlos, wie Christina Hendricks in ihrem Schutzkokon.
Fazit (Patrick):
Film: Lost River
Rating:
Lost River ist ein wirklich schräger Film mit einem tollen Soundtrack und wunderschönen Bildern. Manche der vorgestellten Konzepte sind unglaublich interessant und man möchte mehr darüber wissen. Das alles kann aber nur bedingt über einige der Schwächen und Fehler hinwegtäuschen, als Kinobesucher muss man sich auf jeden Fall auf einen verrückten Film einstellen und offen für alles sein.
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