Mit der Verfilmung ihres eigenen Comics Persepolis wurde Marjane Satrapi einst berühmt, nun wagt sie sich erstmals an ein nicht von ihr verfasstes Drehbuch. Dabei erweckt sie in abwechselnd kunterbunten und düsteren Farben die Welt eines Schizophrenen zum Leben, der von seiner vermeintlich sprechenden Hauskatze zum Mord angestiftet wird.
Voller Elan und mit einer Riesenportion an Lebensfreude geht Jerry (Ryan Reynolds) jeden Tag seiner Arbeit als Fabriksangestellter nach. Eigentlich wäre er ein ganz netter Zeitgenosse, wäre da nicht seine lästige psychotische Erkrankung, die dank unregelmäßiger Medikamenten-Einnahme immer wieder zum Vorschein kommt. Jerry hört nämlich Stimmen, welche scheinbar von seinen Haustieren kommen, die ihn aus der Einsamkeit befreien, aber auch einige schwer vertretbare Ratschläge geben. Als er aus Versehen seine Arbeitskollegin Fiona (Gemma Arterton) ersticht, sieht sein fieser Kater Mr. Whiskers in Jerry das Potenzial zum Frauenmörder, weshalb auch die Romanze mit Lisa (Anna Kendrick) unter keinem guten Stern steht.
Tiere nicht zum Leben erweckt
Anders als das etwa der Trailer von The Voices impliziert, macht der Film selbst aus den Hintergründen der sprechenden Tiere kein großes Geheimnis. Jerry, von Ryan Reynolds in einer gelungenen Balance aus sympathsichen Loser und Psychopathen verkörpert, ist seine Erkrankung von Beginn weg anzusehen und schon bald wird sie auch von seiner Ärztin (Jacki Weaver) als solche etabliert. Das ist durchaus mutig, da den Tieren somit von Beginn an die Etablierung als eigene Charaktere versagt wird, schließlich sind ihre Stimmen nur Hirngespinste der Hauptfigur.
Trotzdem wünscht man sich, der Film hätte aus der reflektierten Dr. Dolittle-Prämisse ein bisschen mehr gemacht, denn weder der blutrünstige Kater Mr. Whiskers, noch der gutmütige Hund Bosco bringen eine angemessene Portion Witz in den Film. Dabei scheitert es schon an den Grundlagen, etwa daran, dass keiner der beiden mit seinen Kommentaren wirklich als Tier fungiert. Abgesehen von Mr. Whiskers’ gelegentlichen Wutanfällen, weil noch kein Futter im Napf liegt, agieren sie nicht anders als die aus tausenden Serien und Filmen bekannten Engel und Teufel, die auf den Schultern des Protagonisten Pro und Kontra einer gewagten Aktion diskutieren.
Kein Humor, keine Sympathie
Und so wird aus einer sehr verrückten Prämisse ganz schnell eine ziemlich generische Geschichte, auch wenn der Film das partout nicht wahrhaben will. Satrapi, die hier übrigens ein Drehbuch von Michael R. Perry interpretiert, versucht dann doch eher verzweifelt, Tiefgang in eine weder wahnsinnig originelle noch in irgendeiner Weise repräsentative Geschichte zu bringen. So wird etwa Jerrys Wohnung aus seiner Sicht in ganz bizarren Farben als sehr einfach gezeigt, während der unverfälschte Blick außenstehender ein absolutes Chaos preisgibt, Fionas herumliegende Leichenteile inklusive. Während diese Idee noch ganz nett ist, versucht Satrapi aber vergeblich, dem Publikum eine Sympathie mit Jerry nahezulegen. Man wünsche ihm nahezu eine erfolgreiche Flucht, behauptet sie in diversen Interviews, bestätigen lässt sich das aber leider nicht. Das muntere “Ich bin ein Regisseur, holt mich hier raus”-Spielchen nimmt dann spätestens beim fürchterlich überinszenierten Schluss zu große Ausmaße an.
Nicht jede Komödie muss tiefgründig sein, aber guter Humor zählt sehr wohl zu den Voraussetzungen. Gerade in diesem Bereich kann der Film aber nicht punkten, weil hinter dem bizarren Vorhang nicht wirklich viel Lacher übrig bleiben. Nur wer den sehr bald redundanten Haustier-Diskussionen etwas abgewinnen oder Anna Kendricks Quirkiness auch beim gefühlt zehnten Mal noch charmant finden kann, wird hier wirklich gut unterhalten sein.
Anders ist nicht immer gut
Was man The Voices in jedem Fall zu Gute halten muss, ist seine Abgrenzung von einem großen Teil der restlichen Filmwelt. Dieser Film ist tatsächlich anders, eine offensichtliche Referenz fällt mir nicht ein. Es wird die ohnehin schon seltene Form des absurden Humors mit einem sehr düsteren Plot kombiniert, was so eine Art Hybrid aus schwarzer Komödie, Thriller und Drama ergeben soll. Problematisch allerdings ist, dass wie erwähnt für die Komödie der Witz, für den Thriller die Spannung und für das Drama die Tiefe fehlen.
Am ehesten subjektiv ist natürlich das Verdikt über den Witz zu verstehen. Meine Beziehung mit Filmhumor ist ohnehin kompliziert, schließlich ist meine wahrscheinlich allerliebste Komödie bald 60 Jahre alt und gewinnt mich auch mehr mit ihrem Charme als mit Brüllern. Selbst die wirklich lustigen Filme finde ich hingegen spätestens beim zweiten Mal nur noch zum Schmunzeln, so gesehen sollte man mein hartes Urteil nur bedingt ernst nehmen. Dass The Voices um einiges seichter ist als es zu sein glaubt, das grenzt dann aber schon an eine objektive Feststellung.
Fazit (Michael):
Film: The Voices
Rating:
Wenngleich The Voices auf seine Prämisse irrsinnig stolz zu sein scheint, wird diese schnell als sehr seicht enttarnt. Das liegt in erster Linie an eklatanten Problemen im Skript, das glaubt, das Publikum würde mit dem Medikamenten verweigernden Frauenmörder sympathisieren. Der Humor von The Voices muss schon ziemlich exakt den Nerv des Zusehers treffen, um über diese Schwächen hinweg sehen zu können.
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