James Franco spielt in Wim Wenders neuestem Werk einen leidenden Schriftsteller mit Pokerface, während sich der Regisseur mit zweifelhaften Entscheidungen in den Mittelpunkt von Every Thing Will Be Fine drängt.
Unfälle passieren
Unfälle passieren, so auch im verschneiten Kanada. Tomas (James Franco), scheiternder Schriftsteller, hat sich auf einen Eissee zurückgezogen um Ideen zu sammeln, doch als er durch die karge weiße Landschaft fährt, passiert das Unglück. Beinahe überfährt er einen Jungen, der in der Nähe wohnt. Die Kamera von Benoit Debie wendet sich im Vertigo-Effekt dem Haus am Ende der Straße zu, während Tomas den kleinen Christopher zu seiner Mutter Kate (Charlotte Gainsbourg) bringt. Ihre Frage nach dem anderen Sohn erklärt Christophers katatonischen Zustand und das Rumpeln des Autos. Was sich entfaltet ist vielmehr eine Studie des Nichtgesagten als des Gesagten.
Der stoische Held
Der Charakter von Tomas ist schon vor dem Unfall leicht angedepscht. Er hat zwar schon ein, zwei Bücher veröffentlicht, doch beim neuen Werk scheitert es an der sinnstiftenden Idee. Zudem fehlt ihm auch etwas in der Beziehung mit Freundin Sara (Rachel McAdams), man merkt, dass er kein leichter Charakter zum Auskommen ist. Seine Entscheidungen über das Fortbestehen der Beziehung wechseln oft, Sara weiß nie woran sie wirklich ist. Auch später, wenn der Unfall nur mehr Vergangenheit ist und Tomas nichts mehr aus der Ruhe zu bringen scheint, wird ihm diese Ruhe vorgeworfen, seine Emotionslosigkeit.
Der Unfall wirft ihn in tiefe emotionale Abgründe, zumindest kurzfristig. Die meiste Zeit folgt man ihm jedoch bei all den anderen Problemchen und Erfolgen, die er so hat. Gepaart mit Zeitsprüngen, die den Zuschauer in neue Situationen werfen sollen, entsteht eine Art Puzzlespiel. Immer auf der Suche nach neuen Veränderungen und reich an Elementen, die man mit dem Unfall in Verbindung setzen kann.
Let’s make it Arthouse
Nichts schreit mehr nach Arthouse Film als Charlotte Gainsbourg, die eine Mutter spielt, die mit dem Verlust eines Kindes zurechtkommen muss. Vielleicht hätte man die Geschichte mehr aus ihrer Sicht erzählen müssen, ihr mehr Verantwortung geben. Sie schlägt sich so gut es nur irgendwie geht, die Trauer übermannt sie nicht, sondern wird zu einem Teil ihres Lebens. Sogar Jahre später redet sie noch von den Kids, auch wenn der Plural schon lange nicht mehr zutrifft. Sie findet zum Glauben und verbrennt symbolisch das Faulkner Buch, das an jenem Abend ihre Aufmerksamkeit für sich beansprucht hat.
Der Film wirkt dabei selbst viel mehr wie ein Buch und beim Schauen ging ich davon aus, dass es eine Buchverfilmung wäre, doch dem ist nicht so. Bjørn Olaf Johannessen ist der Drehbuchautor von Every Thing Will Be Fine und es würde als Buch besser funktionieren. Zu kapitelhaft, unfokusiert wirkt es als Film. Ein Buch kann die inneren Vorgänge der Charaktere durchleuchten, auch wenn sie selbst nichts tun. Hier ist Rätselraten angesagt, nicht leicht wenn Franco mit halbgeschlossenen Augen durch die Gegend blickt.
Wim Wenders und seine Spielereien
Wenders nutzt diesen Film anscheinend eher zum Herumexperimentieren. Der Staub liegt in der ersten Szene im dreidimensionalen Raum, ganz nett anzuschauen, für den Rest ist 3D, so wie bei jedem anderen Film auch, total nutzlos. Aber aufgrund des fehlenden Kopfwehs vergisst man die Brille sowieso schnell, viel schwieriger wird das mit anderen Entscheidungen Wenders. Wenn Franco zum ersten Mal Gainsbourg besucht, wird das Tageslicht über ihm in ein künstliches Orange getaucht, nur um kurz danach zu verschwinden. Ob man damit den Monolog herausheben oder einen Sonnenuntergang simulieren wollte, bleibt ein Rätsel. Andeuten scheint sein neues Hobby zu sein, so auch wenn ein Riesenrad auf dem Jahrmarkt zusammenbricht und der Unfall fast nur angedeutet wird. Tomas kommt dann noch rechtzeitig zu den Wrackteilen um rettend einzugreifen. Warum man vorher ein Kind mit Waffe auf dem Riesenrad gesehen hat, oder weshalb es eingestürzt ist, scheint unwichtig. Genauso unnachvollziehbar ist die Entscheidung, manche Schauspieler in einem komischen Dialekt reden zu lassen. Während Franco sein typisches Englisch spricht, geben McAdams und sein Vater (Patrick Bauchau) ihren französischen Dialekt zum Besten. Außer störend nur störend.
Die Zeit heilt alle Wunden
Halbwegs interessant wird der Film dann wieder, wenn der junge Christopher in ein Alter kommt um mit der Tragödie selbst abzuschließen. Er wird ein komischer Einzelgänger, der sich in die Bücher von Tomas verliebt und ihm gleichzeitig vorwirft, Nutzen aus dem Unfall gezogen zu haben. Kurz scheint die Möglichkeit auf, dass sich der Film zu einem Psychothriller weiterentwickelt, doch das will er nicht. Vielmehr geht es um das Nichtgesagte, das gesagt gehört und Taten die lauter als Worte sind.
Fazit (Patrick):
Film: Every Thing Will Be Fine
Rating:
Lauwarm (2/5)
Every Thing Will Be Fine strapaziert die Geduldsfäden und Fans von Wim Wenders werden vielleicht seinen Genie preisen, den Zuschauer zum zwischen den Zeilen lesen zu zwingen, doch für den Rest werden es eher lange zwei Stunden mit fragwürdigen Kunstgriffen von Wenders selbst.
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