Die Einwanderungsdebatte ist in österreichischen Medien kaum wegzudenken und viel zu oft verlaufen sich die Diskussionen in vereinfachte “wir gegen die” Argumente. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass mit China Reverse ein österreichischer Dokumentarfilm ins Kino kommt, welcher sich ganz den chinesischen Migranten in Österreich widmet.
3 Geschichten
China Reverse folgt 3 Protagonisten:
- Shan Jianqian, Gründer der Kette Mr. Lee und Leiter mehrerer asiatischer Fastfood Ketten, welcher sich nun auf Export von österreichischen Produkten nach China spezialisiert.
- Xie Feiru, Präsidentin des chinesischen Frauenvereins, welche in einem Chinarestaurant zu arbeiten begonnen hat und nun eine Frühstückspension und (das einzige) Kino in Mistelbach betreut.
- Hu Jinzhu, welche unter großen Kosten illegal nach Österreich einreisen musste und das Land nun als Möglichkeit für ihre Kinder sieht.
Diese Auswahl ist bereits ein erstes Indiz dafür, dass Regisseurin, Kamerafrau & Autorin* Judith Benedikt versucht mit einer kleinen Zahl an Protagonisten die Thematik so weit als möglich zu erforschen. So bietet Geschäftsführer Jianqian die ideale Möglichkeit österreichische Frachises wie etwa die Coffeeshop Company in China zu zeigen, während Feiru’s Veranstaltungen eine Vielzahl unterschiedlicher Gäste mit eigenen Geschichten aufweisen. Das dritte Segment von Jinzhu ist die Balance zu den beiden anderen Geschichten und zeigt ohne zu melodramatisch zu werden die Schwierigkeiten der Einwanderung und die Opfer, die diese Familie bringen musste.
Hätten wir zurückgehen sollen?
Ein großes Thema von China Reverse ist nicht nur das Zurechtfinden in der österreichischen Gesellschaft, sondern die Identitätsfrage. Die Frage, ob man nicht doch nach China zurückgehen wird hängt über den drei Hauptdarstellern und ist das durchgehende Motiv. Und wie im echten Leben weiß die Dokumentation natürlich, dass das alles nicht so einfach zu erklären ist.
So wird der Film weniger auf eine finale Meinung und Aussage hingetrimmt, die die Komplexität des Themas verleugnen würde, sondern begnügt sich damit, drei Perspektiven zu präsentieren, denen das Publikum folgt. Am Ende werden zwar Ideen in den Raum gestellt, doch das finale Urteil – wie bei den meisten wichtigen Themen – wird dem Publikum überlassen.
Gekonnt distanziert
Während des Filmes musste ich unentwegt an die mittelmäßige Doku/Werbesendung Attention: A Life in Extremes denken. Nicht weil die Filme sich so ähnlich sind, sondern aufgrund der Tatsache, dass es sich bei beiden Filmen um österreichische Dokumentationen handelt, welche drei Charaktere begleiten. Doch hier zeigte sich die Stärke von China Reverse: der Film hält sich stehts zurück, den behandelnden Leuten einen Stempel aufzudrücken, sondern bemüht sich stehts, die drei Protagonisten als tatsächliche Charaktere und nicht als Galleonsfiguren zu inszenieren.
Ebenso ist die Schlusspointe weit weniger aufgesetzt und wirkt dadurch um einiges authentischer. Im Vergleich zu einer Sportdoku ist es nämlich weitaus schwieriger bei einem derartigen Nischenfilm (nicht nur Immigranten, sondern auch chinesische Immigranten und dann auch noch nur in Österreich) drei interessante Akteure zu finden, sie gleichzeitig dem Publikum näher zu bringen und das alles ohne die Regiehand zu offensichtlich durchscheinen zu lassen.
Moviequation:
Fazit (Michael):
Film: China Reverse
Rating:
Ohne viel Tamtam** greift China Reverse ein unglaublich interessantes Nischenthema auf. Der Erfolg liegt in einer überlegten Wahl der drei Hauptdarsteller sowie einer Produktion, die sich weigert das Publikum zu belehren und zum Reflektieren einlädt.
*Buch und Recherche in Zusammenarbeit mit Gregor Stadlober
**Beim Schreiben der Kritik musste ich die Schreibweise dieses Wortes Googlen und füllte meine Wissenslücke auf: Tamtam bezeichnet den asiatischen Metallgong – somit “Pun not intended”
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