Der gleichnamigen Verfilmung von E.L. James’ Sadomaso-Erfolgsroman Fifty Shades Of Grey kann ein Massenmedien konsumierender Mensch schon seit Wochen nicht entkommen. Nun startet das Kino-Event des Jahres endlich weltweit, und wie alle haben auch wir eine Meinung dazu.
Als das Mauerblümchen Anastasia (Dakota Johnson) durch Zufall den gigantisch erfolgreichen Unternehmer Christian Grey (Jamie Dornan) kennen lernt, funkt es sofort zwischen den beiden. Es beginnt eine schwierige Romanze zwischen den beiden, geprägt von den sadistischen sexuellen Vorlieben Greys.
Kostüm-Oscar bitte
Vielleicht die wichtigste Information vorneweg: etwa vierzig Minuten dauert es, bis es erstmals zur Sache geht. Das Warten ist aber durchaus kurzweilig, weil der Film die Verzögerung punkto Sexszenen mit einer Hochgeschwindigkeits-Etablierung seiner Charaktere wett macht. Noch bevor ein Wort gesprochen wird, sieht man den geilen, auf Ordnung bedachten Grey mit seinen Porsches hantieren, während die schüchterne Anastasia sich zwischen Sportwagen in ihren alten VW Käfer zwängt. Mindestens genauso subtil ist die oscarverdächtige Kostümwahl, die die junge Literaturstudentin in Oma-Bluse und Strickjäckchen zwingt, naturgemäß ein starker Kontrast zu der elegant modernen Büro-Welt des Unternehmers.
Der unfreiwillige komödiantische Höhepunkt ist wohl bereits das erste Gespräch zwischen den beiden Turteltäubchen, das in Sachen Storytelling alle denkbaren Klischees wie auf einer Checkliste erfüllt. Hinter dem Mantel eines Interviews versteckt sich ein leicht zu entdeckender Flirt, der natürlicher Chemie zwischen den beiden SchauspielerInnen nicht viel Raum lässt, nach dem Motto:
Das Drehbuch sagt, ihr steht aufeinander!
Auch eine bald darauf folgende Szene, die Grey beim Kabelbinder-Shoppen im Baumarkt zeigt, lässt den Zuschauer geschickt (?) im Unklaren darüber, inwiefern sich der Film seiner eigenen Lächerlichkeit bewusst ist.
Der Film der Frauen, entsprechend inszeniert
Viel sinnvoller als eine Kritik zu einem – Spoiler – in keine Richtung besonders bemerkenswerten Film zu verfassen, wäre aber ohnehin Fifty Shades Of Grey als soziales Phänomen zu beleuchten. Von einer Twilight-Fanfiction entstanden, verknüpft die Geschichte das beliebte Element der gesichtslosen weiblichen Hauptfigur mit offener Schundheft-Erotik. Da das Erfolgsmodell vor allem auf die Identifikation mit der scheinbar jederzeit durch die durchschnittliche Leserin austauschbaren Anastasia beruht, ist die Zielgruppe nicht nur in erster Linie weiblich, sondern zugleich auch eine riesige. Dementsprechend muss irgendwie der Spagat zwischen den expliziten Sadomaso-Inhalten des Romans und einem für die Massen gestalteten Kinofilm geschafft werden.
Gelöst wird das mit einer Romantisierung von Grey’s sadistischen Vorlieben. Wenngleich Anastasia einen Vertrag unterschreiben soll und sich ständig vor der Liebes-Folterkammer fürchtet, sind die Praktiken der männlichen Domina verhältnismäßig harmlos. Neben Fesseln und Handschellen gibt’s zwar auch ein paar Peitschenhiebe, die aber in der Regel so inszeniert sind, dass sie wie sanfte Klatscher aussehen. Ohne diesen zu sehr loben zu wollen, muss hier auf Lars von Trier’s Nymphomaniac verwiesen werden, der den sexuellen Sadismus weitaus unangenehmer, dementsprechend wohl um einiges realistischer darstellt.
Die wahre Bestrafung ist das “Ende”
Fifty Shades Of Grey hingegen ist ein Hochglanz-Softporno, mit sehr korrekt und sauber eingerichtetem Liebespielchen-Zimmer, einem von allen Figuren des Filmes als unfassbar gut aussehend bezeichneten Hauptdarsteller und der stetigen Implikation, Anastasia könnte die Sexualstörungen ihres Liebhabers vielleicht doch heilen.
Letzteres äußert sich in so unheimlich romantischen Momenten, wie jenem, in dem Grey seine Liebesgefährtin zum ersten Mal in der Öffentlichkeit als Freundin bezeichnet. Anastasia grinst über das ganze Gesicht, das Publikum soll wohl die Hoffnung haben, sie könne ihren emotional vermeintlich unantastbaren Angebeteten zum Softie erziehen, an dessen Existenz sie konsequent glaubt.
Zumindest in diesem Film aber wird diese Hoffnung noch nicht erfüllt, das liegt schon allein daran, dass der Roman noch zwei Fortsetzungen hat, die ebenfalls die Kinoleinwand beglücken sollen. Diese erste Episode mündet hingegen in einer weiteren Etablierung von Grey’s Störungen, die der Spoiler-Enthaltsamkeit wegen nicht genauer geschildert werden soll. Dass die Szene, so etwas wie der emotionale Höhepunkt, aber wiederum in ihrer Harmlosigkeit eine lächerliche Klimax ergibt, muss trotzdem erwähnt werden. Wirklich bestraft wird ohnehin nur der Zuseher, denn das “Ende” nach zwei Stunden recht strukturlosem Liebesfilm, ist in keinster Weise als Schlusspunkt zu bezeichnen. Man kann die letzte Szene noch nicht mal einen Cliffhanger nennen, da sie einfach derart bedeutungslos ist, dass man den Film auch an jeder anderen Stelle beenden hätte können.*
Moviequation:
Fazit (Michael):
Film: Fifty Shades of Grey
Rating:
Alternativ-Rating: Speed Racer
Man kann dieses Film-Event des Jahres zweierlei deuten. Entweder als Speed Racer-Film, womit wir gerne Werke bezeichnen, bei denen man sich nicht ganz sicher ist, wie viel Absicht hinter dem Debakel steht. Als nüchterne Bewertung hingegen gibt es an Fifty Shades Of Grey nicht viel auszusetzen, was nicht eh schon im Vorhinein klar war. Es ist ein Softporno für ein Massenpublikum mit sehr oberflächlichen Charakteren und ganz vielen Klischees, aber schon alleine die sozialen Begleitumstände werden es zu einem für die meisten BesucherInnen befriedigenden Kinoerlebnis machen.
*Wir wurden darauf hingewiesen, dass das Ende des Filmes identisch zu jenem des Buches ist. Das nehmen wir zu Kenntnis, als verteidigendes Argument ist es allerdings nicht valide.
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