Der Titel Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach ist schon das erste Indiz, auf welche Art von Film sich das Publikum beim neuesten Film des schwedischen Regisseurs Roy Andersson einlässt. Doch obwohl es eine harte Nuss zu knacken ist bietet der Film doch recht interessante Denkanstöße.
Tod, Tänzer und letztendlich eine Handlung
Bevor die lose Handlung über zwei deprimierte Verkäufer von Scherzartikeln (Vampirzähne, Lachsack und Maske) folgen drei „Begegnungen mit dem Tod“, welche auf ironische inszenierte Art Todesfälle darstellen… ob dies unterhaltsam oder schockierend sein soll ist wohl jedem Zuschauer selbst überlassen, auch wenn die Musik eindeutig die Absurdität hineinhämmert.
Nach der sexuellen Belästigung eines Tänzers beginnt sich langsam die Geschichte um Jonathan (Holger Andersson) und Sam (Nisse Westblom) zu entfalten, wie sie von einem deprimierenden Verkaufsgespräch zum nächsten schlurfen. Das Gefühl der Schwermütigkeit zieht sich durch die gesamte Erzählstruktur und kaum eine Szene passiert, die nicht auf die eine oder andere Art erdrückend ist. So hat das Publikum oft nur die Chance jener Depression zu entkommen, indem es reflexartig über die Charaktere lacht… und sich danach sofort ein klein wenig geniert.
Karl der Große hatte 100.000 Mann!
Ähnlich dem Film Die Milchstraße fließen in der Erzählung Vergangenheit und Gegenwart problemlos ineinander. Was zu Beginn noch durch eine Flashback Struktur getrennt wird verschmilzt immer mehr zu einer absurden Realität, bis schließlich der schwedische König Karl der XII. mit einem Pferd in einer Kneipe erscheint. Filmtechnisch ist diese Szene absolut beeindruckend, auch wenn man sich kurzzeitig fragt, was dies mit allem zu tun hat. Doch selbst für historisch ungebildete Zuschauer (wie beispielsweise den Autor dieser Kritik) ergibt sich zumindest ein Gefühl dafür, was diese Szene aussagen könnte, selbst wenn man nicht im Vorhinein weiß, was Karl der XII. in der Geschichte Schwedens bewirkt hat.
Er hat sich zumindest etwas dabei gedacht
Besagtes Gefühl ist auch der Aspekt, der Roy Anderssons Film davor rettet zu einem unverständlichen Kunstfilm zu werden. Nach meiner Erfahrung gibt es zwei Arten von absurden Kunstfilmen:
- Jene, die wahllos Dinge zusammenwerfen und es den Filmkritikern überlassen, eine künstlerische Aussage zu finden.
- Und jene, bei denen man ebenso planlos am Ende im Kinosessel sitzt, aber zumindest das Gefühl hat, dass – wenn man sich Zeit nehmen will – man eine interessante Aussage finden kann.
Und mit eben diesem Gefühl wird man zurückgelassen, auch wenn Roy Andersson mit einigen Segmenten sehr eindeutig die Geduld strapaziert, sei es eine Diskussion über gefühlte Wochentage, ein ewig langer Tierversuch oder die bereits erwähnten drei Segmente über den Tod.
Und obwohl mich der Film nicht sonderlich bewegt hat, so sind genug interessante Parallelen zwischen den zwei Verkäufern und der gesamten Handlung, sodass man im Rahmen eines Filmeabends (mit geduldigem Publikum) reichlich zu diskutieren hat. In dieser Hinsicht muss noch einmal Die Milchstraße erwähnt werden, welcher ein ebenso vielschichtiger und trotzdem sonderbar kalter und schwieriger Film ist.
Moviequation:
Fazit (Wolfgang):
Film: Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach
Rating:
Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach ist ein Film, der es dem Publikum nicht gerade einfach macht und wohl einiges an guten Willen benötigt, um tatsächlich genossen zu werden, doch für Zuschauer mit einer Affinität für historischen und philosophischem Overload ist der Film ein gefundenes Fressen.
P.S.: Für mehr Eindrücke zu dieser faszinierend widersprüchlichen Filmerfahrung gibt es ein Segment in unserem Podcast.
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