Das Leben in einer Familie, die von der Honigproduktion lebt, ist kein Leichtes. Und auf Gelsomina (Alexandra Maria Lungu), der ältesten Tochter des Bauern Wolfgang (Sam Louwyck), lastet weitaus mehr als die Verantwortung, auf ihre drei Schwestern aufzupassen. Land der Wunder (ital.: Le meraviglie) – der Gewinner des Grand Prix der Filmfestspiele Cannes 2014 – kommt nun in die Kinos und liefert ein authentisches Portrait einer Familie, das bewusst Spielraum für Interpretation lässt.
Slice of Life
Land der Wunder ist ein Film, der eine bewusst lose Handlungsstruktur aufweist. Es gibt keinen konventionellen roten Faden, der das Publikum durch die Erzählung führt, was es schwierig macht, eine Inhaltsangabe zu geben, die nicht auf eine gewisse Weise irreführend sein kann. So gibt es beispielsweise den Sozialfall Martin (Luis Huilca), der von der Familie aus Geldgründen durch Förderungen aufgenommen wird und einen Wettbewerb für die Fernsehsendung “Village Wonders”, bei dem die Familie teilnimmt, doch dies sind nur Teile der größeren Geschichte, die ständig ihren Fokus wechselt. Fast episodenhaft wird das Publikum durch die Handlung geführt.
Der Begriff Slice of Life – also ein Stück aus dem Leben – ist wohl die beste Beschreibung für die dramatische Form des Filmes und es ist jene Erzählweise, die viel Raum für Interpretation und Wertung lässt.
Anmerkung:
Ein detailiertes Interview mit Regisseuring Alice Rohrwacher wird es in unserem 15. Podcast geben!
Die kleinen Veränderungen
Die Regisseurin Alice Rohrwacher bezog sich in einem Interview (welches in unserem nächsten Podcast zu hören sein wird) darauf, dass sie den “prototype of storytelling” zerstören wollte. Dies äußert sich in sehr nuancierten Charakteren, welche im Laufe des Filmes in unterschiedlichste Lichter getaucht werden, um unsere Konventionen und Vorurteile auf die Probe zu stellen. So wird etwa der Vater Wolfgang als sehr autoritär eingeführt und man ist schon fast versucht, ihn als den Bösen in eine Schublade zu stecken. Doch durch das bewusst langsame Erzähltempo erhalten die Charaktere genug Raum, um nicht als eindimensionale Karikaturen zu verkommen.
Auch die tatsächlichen Charakterentwicklungen sind sehr klein gehalten, als würden innerhalb der 110 Minuten tatsächlich Monate vor unseren Augen vergehen, in denen die Protagonisten sich langsam entfalten. Eben jene authentische Darstellung des Landlebens und der Kleinigkeiten, mit denen sich die Kinder und Erwachsenen beschäftigen, sind wohl die größte Stärke dieser Produktion.
Vielleicht zu viel Freiraum
Die lose Handlungsstruktur und der große Interpretation sind sowohl Segen als auch Fluch des Filmes. Zu oft scheint die Handlung stillzustehen oder sich zu verlaufen. Dies mag natürlich eine bewusste Inszenierung sein, doch erschwert es für den Zuschauer, den Fokus zu finden. Diese Argumente können natürlich zum Positiven verwendet werden, doch leider befand ich mich während des Schauens öfter “außerhalb” des Filmes und verfolgte als apathischer Zuschauer, was sich vor mir ereignete. Die Gedanken, die in den Raum gestellt werden sind durchaus interessant, doch wirkt es oft, wie der erste Satz eines Denkanstoßes anstatt einer geformten These, die man dem Zuschauer präsentiert.
Moviequation:
Verdikt:
Film: Land der Wunder (ital.: Le meraviglie)
Rating: Lauwarm
Land der Wunder ist ein Film, der aufgrund seiner Interpretationsfreiheit und bewusst losen Struktur ein nicht ganz flüssiges Filmerlebnis ergibt. Die Gedanken im Film sind durchaus interessant, doch waren sie zu schwach ausgearbeitet, um tatsächlich mitzureißen.
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