Die Regielegende David Cronenberg beweist seine Vielseitigkeit mit einer Hollywood-Satire, einem Genre, das zunächst recht weit von seinen bisherigen Arbeiten entfernt zu sein scheint. Maps to the Stars ist aber spürbar vom zum Stilmerkmal gewordenen Wahnsinn des Kanadiers infiziert.
Agatha Weiss (Mia Wasikowska), eine von Brandwunden leicht entstellte Frühzwanzigerin, lebt aus zunächst unbekannten Gründen von ihrer im Filmbusiness aktiven Familie getrennt. Um dieser wieder näher zu kommen, kommt sie nach Hollywood, wo sie als Assistentin von Schauspielstar Havana Segrand (Julianne Moore) zu arbeiten beginnt. Von Agathas Ankunft nichts ahnend, dreht ihr jüngerer Bruder Benjie (Evan Bird) den Nachfolger zu seinem Kinohit Bad Babysitter. Unterstützt wird er dabei von seiner Mutter und Agentin Cristina (Olivia Williams), während sich sein Vater Stafford (John Cusack) als verrückter Therapeut ausgerechnet um Havana Segrand kümmert.
Zahnlose Satire
Der Film beginnt eigentlich so wie man es von dem Genre-Etikett der Hollywood-Satire erwartet hätte. Havana Segrand, der die Großartigkeit bereits in den Namen geschrieben ist, sehnt sich danach im Remake eines Klassikers jene Rolle zu übernehmen, die einst ihre eigene Mutter (Sarah Gadon) zum Star gemacht hat. Das schreie geradezu nach bester Nebendarsteller bei der nächsten Oscarverleihung. Der 13jährige Benjie hingegen ist ein völlig abgehobener Kinderstar, der schon seinen ersten Drogenentzug hinter sich hat und sterbenskranke Kinder nur als PR-Gag im Krankenhaus besucht. All das mundet in einer Satire, die sich anfühlt, als ob sich Hollywood über Hollywood lustig machen würde, was etwa auch durch die implizierte Abhängigkeit von Produzenten oder der wenig subtilen Erwähnung eines bestimmten Harvey unterstrichen wird.
Zumindest für den in das Hollywooder Innenleben durchschnittlich wenig involvierten Zuseher ist das nicht besonders unterhaltsam. Die Satire ist einfach viel zu offensichtlich und in entscheidenden Schritten auch zu vorsichtig. Wirklich tief schwarz wird der Humor nur, als die großartige Julianne Moore im Garten den Tod eines Kindes mit einem Tanz bejubelt. Womöglich zeigt sich in diesem unentschlossenen Mittelweg ein Kompromiss zwischen Regisseur Cronenberg, der sich in Sachen Hollywood eher als unbewegter Pragmat gibt, und Drehbuchautor Bruce Wagner. Letzterer gilt als scharfer Kritiker der Traumfabrik, des sexuellen Fokus in den Massenmedien und des globalen Dranges zum Starkult. Sein Roman Dead Stars etwa, auf dem Maps to the Stars basiert, liest sich in seiner Figurenwahl dementsprechend weitaus radikaler als seine Verfilmung: eine Jugendliche, die sich als Pornodarstellerin versucht, um Kanye West kennen zu lernen; eine Fotografin, die mit Nacktfotos ihrer eigenen Tochter bekannt wurde oder auch Catherine Zeta-Jones und Michael Douglas höchstpersönlich, die ihre Karrieren mit einer Gastrolle in Glee bzw. einem Remake von All That Jazz wieder beleben möchten.
Altman meets Cronenberg
Würde der Film hier halt machen, es wäre ein wenig erinnerungswürdiger Eintrag in Cronenbergs Filmographie geworden. Vielmehr aber ist die Satire lediglich das Vorgeplänkel für einen Thriller mit Familiendrama-Elementen. So wird die verstörende Hintergrundgeschichte Agathas erst sukzessive ans Licht gebracht, ohne, dass man ahnen könnte, wie abgrundtief sich die Geschichte noch entwickeln würde. Twists, die genial ineinander greifen, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren, entwickeln sich in einen wilden Albtraum, dessen Talfahrt selbst mit dem Filmende noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Hier machen sich auch die isoliert betrachtet wenig überzeugenden Satire-Elemente bezahlt, die von Beginn an eine zynisch-lockere Stimmung implizieren, wegen der man die eigentlich schon längst offensichtlichen Widersprüche lange Zeit zu ignorieren versteht.
Nicht nur wegen einer überragenden Julianne Moore fühlt man sich zwangsläufig an Robert Altmans Klassiker Short Cuts erinnert. Da wie dort werden pechschwarze Entwicklungen von den Protagonisten so lange wie möglich ignoriert bzw. als unbedeutend abgetan, ehe sie das Ende Lügen straft. Doch während das abschließende Erdbeben bei Altman nur noch rein zynisch ist, entwickelt sich die Geschichte bei Cronenberg subtiler, wodurch das fatale Ende vor allem einen großen Überraschungseffekt hat. Unterm Strich ist es diese Mischung aus verschiedenen Stimmungen und Genres, die Maps to the Stars seinen großen Reiz verleihen. All das bedeutet natürlich wiederum, dass wiederholtes Sehen nahe gelegt wird, um den Film vollständig nachvollziehen zu können.
Moviequation:
Verdikt:
Film: Maps to the Stars
Rating: Sehr Gut
Der neue Film von David Cronenberg beginnt als wenig gelungene Hollywood-Satire, steigert sich aber sukzessive in einen weitaus überzeugenderen Psycho-Thriller. Vor allem aber ist Maps to the Stars mehr als die Summe seiner Teile, lebt er doch gerade von der bewusst unebenen Kombination dieser.
Schreibe den ersten Kommentar