Suzanne (oder auf deutsch: Die unerschütterliche Liebe der Suzanne), der zweite Langfilm der französischen Filmemacherin Katell Quillévéré, erzählt in lose zusammenhängenden Abschnitten über das Leben der immer aufs Neue scheiternden Titelfigur. Während sich Story und Setting recht unspektakulär dem Realismus zuschreiben lassen, ist die Struktur des Filmes weitaus gewagter.
Fehlende Mutter und werdende Mutter
Suzanne (Sara Forestier) und ihre kleine Schwester Maria (Adèle Haenel) werden nach dem frühen Tod der Mutter von ihrem Vater Nicolas (François Damiens) großgezogen. Vor allem der Älteren der beiden Geschwister setzt die schwere Kindheit zu, was sich unter anderem darin wiederspiegelt, dass sie bereits mit 17 Jahren Mutter eines Sohnes wird. Ihr Lebensstil wird noch extremer, als sie eine Beziehung mit dem Kriminellen Julien (Paul Hamy) beginnt. Die beschützende Liebe ihres Vaters und ihrer Schwester wird so immer wieder auf die Probe gestellt.
Ein hervorragendes Ensemble mit Familienqualität
Die Regisseurin Katell Quillévéré setzt in ihrem Familiendrama auf eine sehr assoziative, nur lose zusammenhängende Erzählweise. So gibt es immer wieder unangekündigte Zeitsprünge, die nicht nur oberflächliche Entwicklungen, sondern auch in ihrer Art sowie Intensität völlig veränderte Beziehungen präsentieren – eine genaue Etablierung, wie wir an diesem Punkt angekommen sind, bleibt aus. Andere Segmente, wie die kurze schwere Erkrankung Suzannes, werden überhaupt ohne erkennbare emotionale Verbindung zum Rest des Filmes eingeworfen. Das Resultat dieser gewagten Strukturierung ist das Gefühl, eine möglichst spartanische Zusammenfassung eines noch jungen Lebens erzählt zu bekommen.
Durch diese Erzählform wird ein ganz guter Überblick darüber gegeben, welche Ereignisse es sind, die ein Leben langsam aber stetig von der sicheren Fahrbahn abkommen lassen. Zudem funktionieren die Schnappschüsse aus Suzannes Leben, das uns portionsweise nähergebracht wird, in sich geschlossen sehr gut. Auch wenn nicht jedes Detail erklärt wird, bekommt man zumeist das Gefühl, einen Blick auf eine real existierende Familie zu werfen. Dafür ist in erster Linie die Chemie zwischen den Schauspielern verantwortlich, die den Eindruck hinterlassen, als wären hier über die Zeitspanne des Filmdrehs hinweg an Verwandtschaftsverhältnisse grenzende Beziehungen entstanden.
Titelfigur hinterlässt Erklärungsbedarf
Es ist auch das angenehm starke Gefühl der Intimität, das einem hilft über die recht deutlichen Schwächen von Suzanne hinweg zu sehen. Komplexe emotionale Vorgänge werden mit der gewählten Erzählweise ganz grundsätzlich vom Assoziationsvermögen des Zusehers abhängig gemacht. Noch schwerer wiegt aber der weitgehend uninteressante Hauptcharakter, der trotz Sara Forestiers überzeugender Leistung nur sehr oberflächlich erkennbar wird und sich die meiste Zeit über ihre passive Haltung definiert. Das Ergebnis ist ein Gefühl, hier einer willenlosen jungen Frau zuzusehen, die nur abwartet, was ihr vom Leben als nächstes angetan wird. Den Versuch, dieses Phänomen psychologisch zu erklären, unternimmt die Regisseurin leider nicht.
Moviequation:
Verdikt:
Film: Suzanne
Rating: Empfehlenswert
Suzanne ist weniger als die Summe seiner Teile, in dem Sinne, dass trotz vieler starker Szenen kein vollständig überzeugendes Ganzes entsteht, da es den Charakteren im Allgemeinen und der Titelfigur im Besonderen einfach an Tiefe fehlt. Die hervorragende Chemie zwischen den Schauspielern bewahrt die experimentelle Erzählform aber souverän vorm Scheitern.
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