Nach dem überraschend soliden X-Men: First Class wagt sich das mit frischen Leben angehauchte X-Men Franchise an das bislang größtes Projekt. Days Of Future Past vereint dank Zeitreise-Plot die Wolverine-Truppe aus den alten (frühe 2000er) Filmen mit den jungen Wilden des Quasi-Reboots. Dem Konzept nach zu urteilen konnte man nur ein ultimatives Fiasko oder aber einen Volltreffer erwarten.
Die Gegenwart sieht düster aus… …haben doch selbstständig gewordene Super-Roboter die Erde heimgesucht und machen vor allem den Mutanten das Leben schwer. In einem letzten verzweifelten Versuch, das Ende seiner Spezies zu verhindern, wird Logan aka Wolverine (Hugh Jackman) in die wilden 70er zurückgeschickt, um eine unglückliche Aneinanderreihung von Ereignissen zu verhindern. Seine denkbar schwierige Aufgabe: die heißblütigen Erzfeinde Charles (James McAvoy) und Erik (Michael Fassbender) zu vereinen, um die ihresgleichen äußerst sture Raven (Jennifer Lawrence) vom fatalen Mord an Wissenschaftler Dr. Trask (Peter Dinklage) abzuhalten.
Für einen Zuseher, der bis vor nicht allzu langer Zeit dachte, die Filme würden eigentlich X-Man heißen und wären nach der gleichnamigen Figur von Hugh Jackman benannt, ist X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (so der wie immer sehr charmante deutsche Titel) zunächst eine richtige Herausforderung. Wenn die gealterten Erik/Magneto (Ian McKellen) und Charles/Professor X (Patrick Stewart) gemeinsam mit ein paar anderen Superkräfte-Künstlern scheinbar den Trailer zum neuesten Eintrag der Portal-Reihe drehen, braucht man sich als X-Men-Anfänger für eine große Portion Verwirrung nicht zu schämen. Ohne zumindest First Class gesehen zu haben, ist ein Gang ins Kino höchstens mit geduldig Fragen beantwortenden Fans zu empfehlen. Für die Mutigen unter euch, die den Sprung ins kalte Wasser wagen, haben wir diese grafische Zeitreise-Hilfestellung:
Weg vom Konzept, hin zu den Charakteren Von der fordernden Prämisse abgesehen, gibt Days of Future Past aber sein bestes, um mit einem recht simplen Plot sehr zugänglich zu bleiben und den früh Ausgestiegenen den Weg zurück zu erleichtern. Der Fokus wird demnach nicht auf Zeitreise-Theorien oder ähnlich komplizierten Hokuspokus, sondern auf die Charaktere gelegt und diese sind einfach gut. Zwar verläuft der Konflikt, dass der junge Charles ausgerechnet seinen Erzfeind Erik aus dem Gefängnis befreien soll, zunächst noch ein wenig vorhersehbar, doch spätestens wenn die entgegen gesetzten Weltsichten der beiden Charaktere aufeinander treffen, wird der Film von einer sehr interessanten Spannung getragen.
Das erklärt sich auch daraus, dass beide schlichtweg nicht unrecht haben. Während Charles dogmatisch an der “Gutheit” der Menschen festhält, hat Erik den Glauben an diesen aus durchaus verständlichen Gründen längst verloren. Letzterer ist mit seiner radikalen Einstellung freilich die graue Figur des Filmes, eine Kombination aus nachvollziehbarer Motivation und einem dezent unreflektiertem Radikalismus.
Kaum weniger Screentime als den beiden Herren der Schöpfung wird Raven – einer Mutantin, welche die Verwandlungskunst perfektioniert hat – gewidmet. Sie fällt in ein ähnliches Spektrum wie Erik, trifft doch auch sie fragwürdige Entscheidungen, basierend auf zumindest emotional verständlichen Gründen. Prinzipiell lässt sich jedoch sagen, dass Raven von allen Figuren am stärksten von ihren Impulsen geleitet ist. Kritik an einer schwachen Frauenfigur wird aber mit Sicherheit nicht aufkommen. Dafür ist sie nicht nur ein zu komplexer Charakter, sondern auch eine Person, die in der Geschichte eine absolut wesentliche, wenn nicht sogar die wesentlichste Rolle spielt.
Ein Ensemble in Höchstform
Bei allem indirekten Lob für das Drehbuch soll schon festgehalten werden, dass diese emotionale Bandbreite ohne dem exzellenten Cast ein ungenütztes Potenzial bleiben würde. Mit James McAvoy, Jennifer Lawrence, Michael Fassbender und Hugh Jackman sind vier Schauspieler engagiert, die den Spagat zwischen Blockbuster und alternativen Kino schon seit längerer Zeit mit Bravour meistern. Zusammen kommen sie auf fünf Oscar- sowie acht Golden Globes-Nominierungen, aber natürlich auf eine beachtliche Box Office-Summe.
Für mich persönlich war die größte Stärke des Films allerdings weder Drehbuch noch Schauspiel, sondern schlichtweg die Tatsache wie angenehm er von der ersten Minute bis hin zum befriedigenden Schluss zu schauen ist. Dass eine große Stange Geld schon mal eine ganz gute Voraussetzung für gute Effekte und tolles Design ist, versteht sich von selbst, es richtig auszugeben mag aber auch gelernt sein. Days of Future Past sieht toll aus, verliert sich jedoch nicht in überflüssigen Actionsequenzen. Einen vermeintlich unbezwingbaren Endgegner gibt es keinen, womit auch die offensichtlich unausgeglichene Kräfteverteilung (z.B. Wolverine-Krallen vs. Magnetos fliegendes Stadion) keinen negativen Einfluss hat.
Es ist auch der eleganten Regie von Bryan Singer zu verdanken, dass nicht nur nie Langeweile aufkommt, sondern auch eine gute Balance zwischen ernster Dramatik und Humor gefunden wird. Dass der wohl auch aus Marketinggründen für kurze Zeit auftauchende Quicksilver (Evan Peters) die größte Portion Spaß vermitteln darf, ist durchaus passend. Damit ist eine gute Auflockerung gegeben, ohne die Hauptfiguren ins Lächerliche zu ziehen.
Verdikt:
Titel: X-Men: Days of Future Past (dt. Zukunft ist Vergangenheit)
Rating: Sehr Gut
Wird man sich in langer Zeit noch an Days of Future Past als eines der großen Genre-Meisterwerke des Jahrzehnts erinnern? Wohl eher nicht, dafür werden sicher auch dutzende Sequels und/oder Spin-Offs sorgen. Was aber bleibt ist ein unglaublich solider Film mit einem breiten Zielpublikum, der sich deutlich von der Blockbuster-Masse abhebt und keine signifikanten Schwächen hat.
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